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Gehörlose Hauptdarsteller aus „Jenseits der Stille“ zu Gast

„Blindheit trennt Menschen von Dingen; Gehörlosigkeit trennt Menschen von Menschen.“ Ein Satz der Gehörlosen-Forscherin Helen Keller, zitiert von Caroline Link, der Regisseurin von „Jenseits der Stille“ (im Bild: Mitte). Am Freitag abend stellte die Regisseurin ihren Film im „Europa“ persönlich vor. Mitgebracht hatte sie zwei ihrer – gehörlosen – Hauptdarsteller: die Pariserin Emmanuelle Laborit und Howie Seago aus Seattle (Bild). In „Jenseits der Stille“, dem zweiten Langfilm von Caroline Link, spielen sie die taubstummen Eltern der kleinen Lara, die als Relaisstation zwischen den Eltern und der Außenwelt dient. Sie muß die Gebärdensprache der Eltern in Lautsprache übersetzen, auch in Situationen, denen sie noch gar nicht gewachsen ist oder bei Entscheidungen, die ihr nicht passen. Dann sagt sie auch mal die Unwahrheit im Beisein ihrer so gehör- wie ahnungslosen Eltern. Als die alerte Tante aus der Großstadt in das lautlose Abhängigkeitsverhältnis der Familie aus der süddeutschen Provinz, einbricht, gibt's Probleme. Lara will weg von zuhause.

Von der Familie als „universellem Problem“ wollte die Regisseurin erzählen, das Thema Gehörlosigkeit habe dabei nur als Vehikel gedient. Schließlich eigne sich die expressive Gebärdensprache gut dazu, filmische Effekte zu setzen. Auf dem Set dauerte es länger als üblich, bis eine Szene im Kasten war: deutschsprachige Filmcrew, englisch- und französischsprachige Darsteller, deren Gebärdendolmetscher jeweils nur eine Sprache beherrschen – da will jeder Take gut vorbereitet sein. Und war es auch: Caroline Link arbeitete mit den wenigen gehörlosen ProfischauspielerInnen, die zu haben sind. In Deutschland hatte sie keine gefunden. Howie Seago war im Kino zuletzt in „Star Trek: Die nächste Generation“ zu sehen; Emmanuelle Laborit spielte in Paris in der Bühnenfassung des Gehörlosen-Melodrams „Gottes vergessene Kinder“. Schauspielerin ist sie nur „durch Zufall“ geworden. Howie Seago betont die Wichtigkeit der Gebärdensprache für Gehörlose. Ein taubes Kind könne im besten Falle 35-40 Prozent der Wortbedeutung durch Lippenablesen erfassen. In Deutschland werde vor allem daran gearbeitet, den Gehörlosen – mit begrenztem Erfolg – das Sprechen beizubringen, kritisiert Caroline Link. In den USA perfektioniere die deaf community die Gebärdensprache, ohne das Sprechen zu forcieren. Mu/Foto: Kay Michalak

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