Wer zuletzt lacht

■ betr.: „Blockaden gehen ins Leere“, taz vom 5. 12. 96

Sailer unterliegt einer Fehleinschätzung, wenn er meint, das Behindern und möglicherweise demnächst auch Verhindern der Atommülltransporte ins Wendland schade der Atommafia nicht. Abgesehen von den berechtigten Interessen der Region hat Gorleben und der Widerstand gegen den „Castor“ zunächst einmal bundesweit nur symbolische Bedeutung. Wichtig sind aber das wiedererwachte Publikums- und Medieninteresse und die beginnenden Erosionserscheinungen bei Polizei und Bahnmitarbeitern. Die großen Energieversorger in der BRD werden damit allein nicht wesentlich beeinträchtigt.

Wesentlich ist aber, daß das Beispiel Gorleben Schule machen wird. Sailer und tendenziell auch sein Interviewer Klingelschmitt in seinem eigenen Beitrag am 6. 8. 96 spricht an, daß das Stören der Transporte ins Wendland allein nicht ausreicht, solange ungehindert abgebrannte Brennstäbe nach La Hague und Sellafield befördert werden. Derselbe Tenor wird auch regelmäßig in den Kommentaren der Kernenergie-Fachzeitschriften angestimmt, wie inkonsequent die Anti-Atom-Bewegung doch handelt, wenn sie vorgibt, die Bevölkerung schützen zu wollen, jährlich Hunderte Transporte bundesweit ignoriert und lediglich gegen den einen Transport nach Gorleben zivilen Ungehorsam und mehr leistet.

Abgesehen davon, daß es bereits häufiger Störversuche gab (Anfang 1993 die Fahrten schwach- und mittelaktiver Abfälle nach Gorleben oder der Abtransport verbrauchter Brennelemente Ende 1993 in Brokdorf), sollten wir diese vermeintliche Glaubwürdigkeitslücke doch schnellstmöglich schließen und das Erstarken der Bewegung dazu nutzen, um häufig, unerwartet und effektiv auch die bisher wenig beachteten anderen Atommüll- und Brennstofftransporte zu behindern. Wenn plötzlich der Normalbetrieb der AKWs aufgrund unkalkulierbarer Zu- und Abtransporte zu den Standorten stockt, weil selbst mehrere Hundertschaften Polizei den geordneten Ablauf nicht gewährleisten können, wird sich zeigen, wer zuletzt lacht. Mathias Leich, Bündnis 90/

Die Grünen, LV Berlin