: Genmanipulierte Gänse mit Erbmaterial von Austern
■ EU-Kompromiß schafft ein Gleichgewicht zwischen Weihnachtsbraten und Gesundheit, denn: ASE wird nur ganz selten durch Knochen oder Federn übertragen
Wie erst gestern bekannt wurde, hat die Europäische Kommission bereits zum zweiten Advent das am Vortag verhängte Schlachtverbot für Gänse teilweise wieder aufgehoben. Mit Rücksicht auf die Weihnachtstraditionen in einigen Mitgliedsländern dürfen bis einschließlich 24. Dezember Gänse vorübergehend in Verkehr gebracht werden, soweit sie von Herz, Leber, Nieren und Muskelfleisch befreit sind.
Bei der Entscheidung berief sich die Kommission auf eine statistische Erhebung des wissenschaftlichen Veterinärausschusses, nach der die ASE (anserine spongiforme encephalopathy) nur ganz selten durch Knochen oder Federn übertragen werden kann. EU-Agrarkommissar Franz Fischler bezeichnete die Entscheidung als ausgewogenen Kompromiß zwischen den Interessen der Gänsezüchter, der Traditionspflege und einer ausreichenden gesundheitlichen Vorsorge: „Die Knochen ißt hoffentlich eh keiner“, sagte Fischler.
Nach dem Zusammenbruch des Rindfleischmarktes in England drohte der bisher vor allem im Raum Hermsdorfer Kreuz sowie bei Stuttgart-Degerloch aufgetretene Gänsewahnsinn nun auch noch den Gänsemarkt in Hamburg schwer zu schädigen. Die europäische „Confederation de Gänsemäster“ (CDG) schätzt, daß ihren 80.000 Mitgliedern allein durch das eintägige Schlachtverbot ein Schaden von 34,7 Milliarden Ecu entstanden ist, und fordert eine faire Entschädigung aus dem EU-Haushalt.
Über die Ursachen der mysteriösen Krankheit gibt es bisher nur Vermutungen. Da Gänse von Natur aus weder kranke Schafe noch kranke Rinder fressen, schätzen Experten der CDG, daß die ASE- Erreger nur auf dem Umweg über verseuchtes Fischmehl in die Tiere gelangt sein könnten. Die Züchter, die ihre Hände in Unschuld waschen, müßten deshalb aus der Fischseuchenkasse der Europäischen Union einen Ausgleich erhalten. Der Verband der Gammelfischer nannte gestern eine solche Pilatusprämie einen „verantwortungslosen Irrweg“.
Die für Verbraucherschutz und Fischerei zuständige Kommissarin Emma Bonino empfahl, die durch das fehlende Muskelfleisch freigewordenen Stellen im Weihnachtsbraten mit pochierten Hechtklößchen aufzufüllen. Dadurch bleibe die äußere Form der Weihnachtsgans erhalten. Sie kündigte an, in der nächsten Woche die Fangquoten für Hechtfischer im Skagerrak anzuheben.
Industriekommissar Martin Bangemann forderte dagegen, die Stützungspreise für Austern deutlich abzusenken. Austern eigneten sich hervorragend für alle festlichen Gelegenheiten, vielleicht auch Weihnachten. Außerdem sei bisher noch kein einziger Fall von Mollusken-Wahnsinn bekanntgeworden. Im Interesse der Verbraucher sei deshalb langfristig zu überlegen, ob künftig nur noch genmanipulierte Gänse produziert werden dürfen, die mit dem Erbmaterial von Austern angereichert wurden. Alois Berger, Brüssel
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