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340 Millionen Mark in den Müllofen

■ Weil Berlin seinen Müll lieber verbrennt als auf die Deponie schickt, fordert der Deponiebetreiber MEAB Ausgleichszahlungen vom Senat. Angriff auf das Konzept der BSR zur Müllverbrennung

Das Festhalten an der Planung einer zweiten Müllverbrennungsanlage (MVA) durch die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) könnte Berlin mit bis zu 340 Millionen Mark Mehrkosten belasten. Diese Summe nämlich fordert die „Märkische Entsorgungsanlagen Betriebsgesellschaft“ (MEAB) von Berlin als Ausgleichszahlung für den Berliner Müll, der nach BSR-Planungen in einer zweiten MVA verbrannt und nicht in Brandenburg deponiert werden soll. Diese Rechnung geht aus einem internen MEAB-Papier hervor, das der taz vorliegt.

Gleichzeitig steht die geplante Sanierung der alten Brandenburger Deponien auf dem Spiel. Das jedenfalls machte der Geschäftsführer der MEAB, Winfried Polch, dem Umweltausschuß des Abgeordnetenhauses vergangene Woche klar. Sollte auf die MEAB-Deponien nicht genug Müll aus Berlin geliefert werden, so Polch, sei die Sicherung der fünf Deponien nicht durch die Kippgebühren aus Berlin finanzierbar. Die MEAB, an der Berlin und Brandenburg je zur Hälfte beteiligt sind, müsse dann das Geld auf anderen Wegen von Berlin erhalten.

Hintergrund des Streits ist der massive Rückgang des Mülls. In einem Konsortialvertrag mit Brandenburg hat sich Berlin verpflichtet, die Sanierung der Mülldeponien zu bezahlen. Diese Sanierung, insgesamt etwa drei Milliarden Mark, soll über die Gebühren pro angelieferte Tonne Müll finanziert werden. Doch für diese Menge sinkt nicht nur der Preis pro Tonne, auch das Volumen wird kleiner: Wurden 1993 noch rund eine Million Tonnen an die MEAB geliefert, sollen es 1997 nur noch 230.000 Tonnen sein.

Damit ist ein harter Kampf um den Berliner Müll entbrannt. Die MEAB interpretiert den Konsortialvertrag so, daß sie die einzig zuständige Betreiberin der fünf Deponien ist, von denen bisher noch drei in BSR-Regie geführt werden. Für die BSR wiederum ist klar, daß sie an einer solchen Betreibergesellschaft beteiligt sein muß. Auch die Folgerungen aus einem Gutachten des Unternehmensberaters Roland Berger sind umstritten. Die Verhandlungen zwischen BSR und MEAB steckten fest, bestätigt auch die Umweltverwaltung.

Für den Vorschlag der Gutachter, die MEAB-Deponien Vorketzin und Schöneiche bis Ende 1998 aufzufüllen und dann zu schließen, hat die MEAB nun die Rechnung vorgelegt: Je nach Rechenweise fehlen dabei zwischen 269 Millionen und 342 Millionen Mark für die Sanierung. Dieses Geld müsse durch „notwendige Ausgleichszahlungen des Senats“ aufgebracht werden. Die Variante, allen Müll auf die Deponien zu bringen, sei dagegen kostenneutral: „Ausgleichszahlung entfällt“, heißt es in dem Konzept.

Dahinter steckt ein Angriff auf das BSR-Konzept zum Bau einer zweiten Müllverbrennungsanlage. Denn nach der Neufassung der „Technischen Anleitung Siedlungsabfall“ (TaSi) darf ab 2005 nur noch Müll auf Deponien gekarrt werden, der weniger als fünf Prozent organische Bestandteile enthält. Dieses Ziel will die BSR durch Verbrennung erreichen. Eine Deponierung der etwa eine Million Tonnen Restmüll auf einer MEAB-Deponie würde daher diese Müllverbrennungsanlage überflüssig machen – doch auch möglicherweise die hohen Standards der TaSi nicht erfüllen. Trotz einer der Deponie vorgeschalteten Müllbehandlung würde die Hürde von fünf Prozent nicht erreicht, meint etwa Sabine Thümler von der BSR. Gegner der Müllverbrennung dagegen hoffen auf eine Heraufsetzung der Fünfprozenthürde in der Zukunft. Auf solche Hoffnung allerdings will die BSR die Entsorgungssicherheit Berlins nicht bauen. Bernhard Pötter

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