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Last exit: Kohl

■ Lengsfeld & Co. verlassen die Bündnisgrünen

Nein, keine Häme. Daß Vera Lengsfeld und einige andere die Bündnisgrünen verlassen, zeigt, daß es der grünen Partei nicht geglückt ist, einen Teil der Ost-Bürgerrechtler zu integrieren. Das mag man bedauern. Die zentrale Frage lautet indes, ob diese Abspaltung vermeidbar war. Die Antwort: Nein.

Denn dieser Austritt beendet den Prozeß einer politischen Selbstmarginalisierung. Lengsfeld & Co. richteten den Blick schon seit längerem starr auf die Vergangenheit. So durchzieht ihre Austrittserklärung ein alarmistischer Ton: Die PDS greift nach der Macht, die Grünen spielen die nützlichen Idioten. Dahinter dämmert ein dichotomisches Weltbild: Macht dort, Moral hier – böse versus gut. So sah die Welt vielleicht im Frühjahr 1989 in den kleinen Oppositionellenzirkeln aus, die von der allgegenwärtigen SED und Stasi eingekesselt waren. Die Lage ist heute eine andere, der Blick geblieben.

Lengsfelds Austritt ist freilich vor allem ein Übertritt, daher rührt ein unangenehmer Beigeschmack. Sie nimmt ihr Bundestagsmandat mit zur CDU – hier hat der moralische Furor offenbar eine, recht praktische, Grenze.

Doch für Lengsfeld ist der CDU- Beitritt logisch. Denn 1998 droht eine PDS-gestützte rot-grüne Regierung, die es um alles in der Welt zu verhindern gilt. In dieser Weltsicht rückt die PDS – eine eher uninteressante Regionalpartei auf der Suche nach einer politischen Identität – ins Zentrum. Genau diese Phantasmagorie – die PDS auf dem Weg zur Macht – ist der Klebstoff, der die Exbürgerrechtler an die CDU bindet. Für die Ost-CDU ist dies, gratis und frei Haus, eine günstige Gelegenheit, mit einwandfreien Widerstandsbiographien ihr Image als Blockflötenpartei aufzupolieren. Ein einseitiges Geschäft: Denn daß Lengsfeld & Co. neben ihrer Aversion gegen die PDS andere Themen wie Bürgerrechte oder Ökologie in der CDU populär machen könnten, dafür gibt es leider kein Indiz.

So kämpfte Vera Lengsfeld mit zusehends gußeiserner Moral gegen alles Mißliebige: zuletzt gegen Wiglaf Drostes Bürgerrechtlersatire, die ihr nicht weniger als faschistoid erschien. Die Welt, ein Dauerskandal. Damit ist keine grüne Politik zu machen. Ihr Austritt war so unvermeidlich wie jener von Jutta Ditfurth, der den Ausstieg des Fundiflügels aus der (grünen) Politik beschloß. Stefan Reinecke

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