: Vertuntung amerikanischer Werte
■ Vorweihnachtliches Apostelsingen aus dem Liederbuch des P-Funk mit George Clinton und den Parliament-Funk-All-Stars
Die Ära Clinton hat große Erfolge aufzuweisen. Zum Beispiel bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit: Unzählige Musikingenieure, Samplerechercheure, Musiker und Anwälte erhielten neue Arbeitsplätze oder zusätzliche Aufträge, um die Produktivität Clintons zu be- oder auszuwerten. Auch in der alternativen medizinischen Versorgung hat der Parlamentschef Hervorragendes geleistet, wenn man an die kurierende Wirkung von THC glaubt und nicht Bob Marley als Gegenbeispiel nimmt. Schließlich verdankt das äußere Erscheinungsbild der Groove-Nation eine Unzahl von Anregungen dem bestangezogensten Mann im Pop-Business. Keine Frage also, daß die Forderung „Paint the White House black!“ gleich mit dem Wechsel des Clintons zu verbinden ist. Die Politik können dann ja Ivana Trump und O.J. Simpson machen. Gossip rules the world!
Die wahre Ära Clinton dauert auch schon beträchtlich länger als die politische. Als Bill sich noch in die Hose machte, weil er dem großen JFK das Grabscherl geben durfte, da hat George schon Musik in Mengen und Originalität hervorgebracht, die „zero tolerance“ gegenüber Führern kannte.
Mit The Parliament (später Parliament) und sich selbst als Dr. Funkenstein erforschte George alles, was nichts mit Unglück zu tun hat – Politik inbegriffen, die in der Funk-Version mit dem Ausknipsen von Pathosformeln und der Vertuntung amerikanischer Werte zur großen Gaudi mit ernsten Fußnoten wurde. Mit sicherem Gespür für Parolen demonstrierte Clinton gegen jede Form von Verbiesterung, sei es im Vietnamkrieg oder im Bett.
Heute ist Clinton der Funk-Held aller, der mit ungebrochener Aktivität täglich aufs neue zu verhindern versucht, daß ihn jemand Opa nennt. Anwesenheit in Videos von HipHop-Stars wie Ice Cube, Auftritte mit den Vertretern der jeweils jüngsten Musikgeneration und jetzt eine CD mit Greatest Funkin' Hits, auf der Coolio, Ice Cube, Ol' Dirty Bastard, Digital Underground und viele andere mehr Georges größte Hits remixen und interpretieren, zeugen von der Reziprozität zwischen Neuerung und Einfluß im Schaffen des wahren Clinton.
Denn was der 56jährige Funk-Apoll heute macht, ist keineswegs neu, nur immer noch gut, und wenn er und seine gerade mit ihm reisenden Kumpane aus dem P-Funk-Imperium auftreten, dann dauert das Konzert immer noch ein paar Stunden – inklusive Hasch-Pausen Backstage. Da werden Tafeln zum Mitsingen von P-Funk-Evergreens hochgehalten, gräßliche Ausflüge in Rock-Soli erlaubt, die zum rhythmischen Skelett passen wie ein Wonderbra in einen Russ-Meyer-Film, Jazz-Schnipsel und Dauer-Slogans kombiniert und überhaupt alles getan, was Spaß macht. Dabeisein beim Apostelsingen am 4. Advent. Till Briegleb
So, 22. Dezember, Große Freiheit, 21 Uhr
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