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■ SPD schließt Koalitionen mit der PDS nicht mehr ausFlucht nach vorn

Erinnern Sie sich? Harald Ringstorff, erster Mann der Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern, hob im Frühjahr an, dem tristen Alltag der Großen Koalition in seinem Land ein schnelles Ende zu setzen. Der kantige Parteichef bog gerade in die Zielgerade ein, da stellte ihm in Düsseldorf ein Genosse ein Bein. Würde Ringstorff sein höchst umstrittenes Projekt einer Koalition mit der PDS wahrmachen, drohte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und SPD-Vize Johannes Rau, dann trete er von allen Parteiämtern zurück. Ringstorff scheiterte. Der Vorgang ist heute schon Geschichte. Er würde sich ebensowenig wiederholen, wie die Drohung Raus noch einmal verfangen würde. Intern tragen die Sozialdemokraten jetzt den Realitäten und damit der breiten Akzeptanz der PDS im Osten Deutschlands Rechnung. Die SPD schließt eine Zusammenarbeit mit den Postkommunisten, ob Tolerierung oder Koalition, nicht mehr aus. So ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Dresdner Erklärung der SPD von 1994, die eine explizite Absage an jede Kooperation mit der PDS beinhaltet, widerrufen wird.

Ein Befreiungsschlag ist das neue Papier zum „Umgang mit der PDS“, das wohl auch vom Parteivorstand getragen wird, nun aber nicht. Es ist der pragmatische Versuch, Schadensbegrenzung zu betreiben, den eigenen Bedeutungsverlust zu stoppen und sich einen neuen Handlungsspielraum zu erschließen. Zu verlieren hat die SPD im Osten eh nichts. Außer in Brandenburg gibt es in den neuen Ländern zu einer Großen Koalition als Alternative nur eine, wie auch immer, von der PDS gestützte Landesregierung. Unabhängig davon, ob Bündnis 90/Die Grünen mit von der Partie sind oder nicht.

Was immer die SPD in den Wahlkämpfen des Jahres 1998 auch tun wird, die CDU wird sie mit dem angekündigten „verschärften Richtungswahlkampf“ vor sich hertreiben wollen. CDU-Generalsekretär Hintze will dazu seine Rote-Socken-Kampagne wiederauflegen. Warum also, so die nüchterne Überlegung der Sozialdemokraten, diesen Schritt nicht vorwegnehmen? Hintzes Kampagne wird dadurch zwar nicht ins Leere laufen, die SPD kann dann den Schwarzen Peter aber an die Genossen der PDS weitergeben – indem sie jede Form einer Kooperation mit der PDS von deren Politikfähigkeit und der glaubwürdigen Aufarbeitung ihrer SED-Herkunft abhängig macht. Wolfgang Gast

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