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Nato sucht enge Bande zu Moskau

■ Die Nato-Verteidigungsminister legten auf ihrer Herbsttagung gestern den Grundstein für die Osterweiterung

Brüssel (taz) – Ihre abschließenden Beratungen hatten die Nato- Verteidigungsminister in Brüssel bereits gestern vormittag beendet. Nach Hause fahren durften die Minister aber nicht: Ihr russischer Amtskollege Igor Rodionow kam nämlich noch am Nachmittag. Aber selbst Begegnungen mit russischen Gesprächspartnern sind schon zur Routine geworden – oder werden zumindest so dargestellt. In Brüssel wurde weniger Politik gemacht, als vielmehr inszeniert.

„Das Bündnis bereitet sich jetzt auf einen historischen Gipfel in Madrid am 8. und 9. Juli 1997 vor“, heißt es im Abschlußkommuniqué der Nato-Herbsttagung. Was auf diesem Gipfel formell verkündet werden soll, wird seit Monaten offenherzig auf Pressekonferenzen mitgeteilt. Mindestens Ungarn, Polen und Tschechien werden offiziell eingeladen, um der Nato beizutreten.

Unentwegt wird der Öffentlichkeit derzeit suggeriert, es handele sich bei der Osterweiterung der Nato nur noch darum, längst Beschlossenes formal abzusegnen. Die Hürden, die dem Beitritt neuer Mitglieder in Wahrheit noch im Wege stehen, werden allenfalls in Nebensätzen erwähnt.

Die Nato müsse dem russischen Sicherheitsbedürfnis Rechnung tragen, wurde in Brüssel betont. Der deutsche Minister Rühe schlüpfte in diesem Zusammenhang in die Rolle des ehrlichen Maklers. In der letzten Woche hatten bereits die Nato-Außenminister der Aufstellung von Atomwaffen auf dem Territorium neuer Mitgliedsländer eine Absage erteilt. Rühe trat jetzt in Brüssel dafür ein, auch koventionelle ausländische Streitkräfte nicht dauerhaft in neuen Nato-Ländern zu stationieren. Diese Zusage dürfe die Nato sich nicht von Moskau abringen lassen: „Ich halte es für richtig, daß die Nato einseitig klarstellt, was sie vorhat.“

Eine derartige einseitige Absichtserklärung hätte für das westliche Militärbündnis einen unbestreitbaren Vorteil: Sie wäre kein Vertrag und damit rechtlich nicht bindend. Eine veränderte Sicherheitslage könnte das Papier zur Makulatur machen.

Auf Dauer könne Rußland sich der Nato-Osterweiterung nicht in den Weg stellen, war auch am Rande dieser Herbsttagung in Brüssel wieder zu hören. Nato-Offizielle erwecken gern den Eindruck, sie glaubten tatsächlich, der Bär sei zahnlos geworden.

Der zahnlose Bär verfügt nach wie vor über mehr als 10.000 taktische Atomwaffen. Das russische Parlament, die Duma, hat den Abrüstungsvertrag START II noch immer nicht ratifiziert. Der Zeitpunkt für die geplante Halbierung der Zahl von Atomsprengköpfen für Interkontinentalraketen steht in den Sternen.

Professor Michael Mandelbaum, eine führende Kapazität für Außenpolitik in den USA, warnt in dieser Woche im Magazin Newsweek vor der Osterweiterung: „Verbitterung über die Nato-Expansion könnte Rußland langfristig gegen das gesamte Arrangement nach dem Ende des Kalten Krieges einnehmen.“ In der New York Times war letzte Woche zu lesen: „Es ist wahrscheinlich, daß die Aussicht der Nato-Erweiterung Moskau genau zu der Form von Wiederbewaffnung veranlaßt, die der Westen fürchtet.“ Zwei Drittel des US-Senats müssen der Erweiterung des Bündnisses zustimmen. Alles nur Routine?

Zahlreiche neue Gremien, Institutionen und Formen der Zusammenarbeit sollen nun engere Bande zwischen Moskau und der Nato knüpfen. Schon jetzt finden regelmäßig diplomatische Konsultationen statt, im Zuge derer auch Details der gemeinsamen Militäroperation in Bosnien verabredet wurden.

Im Januar wird Nato-Generalsekretär Solana dann nach Moskau reisen, um eine Charta über die strategische Partnerschaft der Allianz mit Rußland auszuhandeln. Gestern gab es Gespräche über den Austausch von Verbindungsoffizieren zwischen Moskau und der Nato. Bettina Gaus

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