„Diese Guerilla galt als zerschlagen“

■ Peru-Experte Ludwig Huber über die seltsame Auferstehung der Tupac Amaru, die für die Solibewegung die „gute“ Guerilla war

taz: Seit Jahren hat man von den Guerilla-Bewegungen in Peru eigentlich nichts mehr gehört, die Regierung schien diesen Krieg gewonnen zu haben. War so etwas wie diese Geiselnahme zu erwarten?

Ludwig Huber: Überhaupt nicht, ich bin völlig überrascht. Die MRTA galt als zerschlagen. Als im Frühjahr eine Gruppe von denen in La Molina in Lima hochging, fand der Geheimdienst Pläne, daß sie den Kongreß besetzen wollten. Als diese Aktion aufgeflogen war, da war man eigentlich ganz sicher, daß der Geheimdienst die MRTA so weit unterwandert hat, daß derartige Aktionen eben rechtzeitig vereitelt werden können. Und die Spitzenkader sitzen bis auf einen schon seit Jahren im Knast. Sie haben auch in den letzten Jahren keine Guerilla-Aktionen mehr gemacht – in der Öffentlichkeit gab es sie einfach nicht mehr.

Glauben Sie denn dann überhaupt, daß es sich jetzt bei diesem Kommando tatsächlich um die MRTA handelt?

Ja, wenn sie wirklich keine anderen Forderungen stellen als die Freilassung der eigenen Leute, dann wird das wohl echt sein. Und wenn es sich tatsächlich um eine kleine Gruppe von maximal 20 Leuten handelt – so eine Gruppe kann man immer rekrutieren und ausbilden, das muß ja nicht unbedingt in Peru passieren.

Die MRTA hatte immer auch Verbindungen in die Volksorganisationen hinein. Ist das heute noch so?

Das kann man so nicht mehr sagen, denn die Volksorganisationen gibt es ja in der Form auch nicht mehr. Alles, was es einmal an linker Struktur in Peru gab, ist nach Fujimoris Regierungsantritt 1990 ganz schnell den Bach runtergegangen. Heute ist das Land eigentlich nur noch gespalten in der Frage: Bist du für Fujimori, oder bist du gegen ihn? Da hat es die seltsamsten Koalitionen gegeben. Die breiten Massenbewegungen der Linken, die die MRTA für sich zu gewinnen versuchte, gibt es nicht mehr.

Die MRTA galt der Solidaritätsbewegung hierzulande lange als die „gute Guerilla“ Perus, im Vergleich zum „bösen“ maoistischen Leuchtenden Pfad. Was war dran an diesem Bild?

Richtig ist: Die MRTA hat nie diesen Fanatismus an den Tag gelegt wie Sendero Luminoso, der Leuchtende Pfad. Aber auch bei der MRTA hat es Abspaltungen gegeben, interne Hinrichtungen. Gute Guerilla? Ich weiß nicht. Aber sie haben im Unterschied zu Sendero eben versucht, eine legale Massenbasis aufzubauen, waren nie so abgeschottet.

Was bedeutet die Geiselnahme für Präsident Fujimori?

Es dürfte massiven internationalen Druck geben. Die Regierung wird jetzt versuchen, in Verhandlungen und mit Hinhalten die MRTA-Leute zu zermürben, aber wenn ihnen das nicht gelingt, wenn die wirklich so gut geschult sind, wird der Staat wohl nachgeben müssen.

Und das wäre für Fujimori...

...ein politisches Desaster. Er hat ja immer damit angegeben, der Terrorismus sei am Ende. Und nun zeigt er sich als unfähig, die politischen Spitzenvertreter zu schützen. Interview: Bernd Pickert

Ludwig Huber ist Ethnologe. Er lebt seit mehr als vier Jahren in Peru, wo er über die Situation der Bauern forscht