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5 Zentimeter in 500 Jahren

■ Die „Tropfsteinmaschine“ von Bogumir Ecker auf der Kunstinsel wurde gestern für vertraglich festgelegte fünfhundert Jahre in Betrieb genommen

Schon vor der Eröffnung der Kunsthallenerweiterung und unbeschadet aller Hängungsüberlegungen ist eine Arbeit für eine kleine Ewigkeit dort fest installiert: Die „Tropfsteinmaschine“ des Hamburger Künstlers Bogumir Ecker. Der Professor an der Hochschule für bildende Künste hat seit zehn Jahren an dieser selbstzufriedenen und vollkommen nutzlosen Maschine gearbeitet, deren Laufzeit vertraglich auf 500 Jahre festgesetzt ist. Gestern wurde die dreiteilige Installation durch die Kultursenatorin eingeweiht.

Ein Regenwasser-Reservoir in einer Dachkammer speist einen Trog mit Lorbeerbäumen und Kalk, und das so angereicherte Wasser tropft in einen Kellerraum, wo sich ganz langsam ein Stalagtit und ein Stalagmit bilden werden.

Schon 1987 hat Bogumir Ecker einen Modellversuch in einem umgerüsten Kühlschrank gestartet und seitdem immer nach geeigneten Orten zur Aufstellung gesucht. Privaträume erschienen als zu wechselhaft, und auch der Standort Deutscher Bundestag wurde als nicht unbegrenzt gesichert verworfen. Zu recht, wie sich schon bald beim Umzugsbeschluß herausstellte. Ein Museum ist jedenfalls der geeignetste Ort, da man sich dort sowieso „um Zeit kümmert“, wie Bogumir Ecker ausführt.

Obwohl die Leihverträge der Kunsthalle mit den privaten Sammlern nur auf zehn Jahre lauten und Juristen gewöhnlich nur in Verträgen bis 99 Jahren denken, sind fünfhundert Jahre in der Kultur eine überschaubare Zeit. Noch heute stehen die Paläste der Renaissance, und in den Kirchen hängen ebenso alte Bilder. 1508 gibt Albrecht Dürer schriftlich eine Garantie für eine Altartafel: „Ich weiß, wenn Ihr sie sauber haltet, daß sie 500 Jahre sauber und frisch sein wird...“.

Genau das will auch Bogumir Ecker für seine Maschine erreichen. Da aber nicht mehr die Religion solchen Vorsatz stützt, bedarf es komplizierter Verträge, um kommende Generationen zu verpflichten. So wurde der Betrieb der „Tropfsteinmaschine“ als „beschränkt persönliche Dienstbarkeit“ zugunsten eines „Tropfsteinmaschine e.V.“ im Grundbuch festgeschrieben. Und Grundbücher „leben“ in Deutschland bekanntlich länger als Staatsverfassungen.

Doch auch die Technik ändert sich, und die Anweisungen zur regelmäßigen Wartung könnten eines Tages so unverständlich werden, wie Leonardo da Vincis Spiegelschrift. Deshalb hat Bogumir Ecker die Gebrauchsanweisung in Form von Pictogrammen in Aluminium gestanzt. Für den Fall, daß es in ferner Zukunft nicht mehr die Menschen sind, die hier regieren, ist dort auch das Zeichensystem verewigt, das die USA ihren in interstellare Weiten geschickten Erkundungsflugkörpern als Botschaft an außerirdische Intelligenz mitgibt.

All das ist mehr als künstlerische Spielerei. Alle Beschleunigung des Alltags sollte nicht verdrängen, daß heute durchaus – unbewußt und absichtlich – massiv Prozesse in Gang gesetzt werden, die noch in Jahrtausenden Auswirkungen zeigen: Rodung von Wäldern, Ausrottung von Tieren und Veränderungen der Bodengestalt auf der einen Seite, angeblich sichere „Endlagerung“ von Giften und radioaktivem Material auf der anderen.

Fünf- bis siebenhundert Jahre sind der Zeitraum, über den wir auch über Schriftquellen mit der Vergangenheit kommunizieren können, aber über noch größere Zeiträume bleibt meist nur die archäologische Rekonstruktion. Wie also mit den Erben tödlichen Materials über Jahrtausende kommunizieren, wenn der „Fluch der Pharaonen“ nicht zur Verfügung steht?

Bogumir Eckers „Tropfsteinmaschine“, als Objekt eher unscheinbar, wirft als Konzept alle jene Fragen auf, die zwischen dem Geltungsanspruch „heiliger Hallen“ für die Kunst, dem intellektuellen und faktischen Haltbarkeitsdatum für die darin bewahrte Kunst und dem Unsterblichkeitswunsch jedes Künstlers angesiedelt sind.

Hajo Schiff

Öffentliche Besichtigung erst nach der Eröffnung der „Galerie der Gegenwart“ am 24. Februar

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