Durchs Dröhnland
: Kult in Angola

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Ganz und gar unfeierlich wird das Wochenende eröffnet von Turbonegro, die aus der hart rollenden norwegischen Schule stammen. Dort schert man sich wenig um geschmäcklerische Fragen, sondern spielt mit den Klischees, egal, ob sie zusammenpassen wollen oder nicht. Auf Fotos trägt man schon mal Oberlippenbärtchen und gemahnt an einen Haufen überzeugter Fistfucker oder nimmt man mit Eugene Chadbourne eine Kurt-Cobain- Gedenksingle auf, die schlicht und irgendwie treffend „Grunge Whore“ heißt.

Der Sound dazu rumpelt unter der Grasnarbe daher, fährt in die Magengrube wie eine Dampframme, wenn man ihn denn läßt. Schlußendlich lassen sie aber jedem die Entscheidung offen, ob das Kabarett oder Schwermetall ist. Die Grenzen zwischen diesen Bereichen sind eh fließend. Bei Crawfish sind die Gitarren zwar ähnlich abgestimmt, aber dank der Freude an einer netten Melodei verursachen sie beileibe nicht so viele Kopfschmerzen. Als Einflüsse geben sie selbst Hüsker Dü an, was man hören kann, und R.E.M., was sich eher verbirgt. Die vier aus dem Städtchen Brandenburg befinden sich jedenfalls auf dem Weg in die wenig vielfältige, aber trotzdem hübsche Welt des Melodycore, auf daß die grauen Mauern etwas Farbe bekommen mögen.

20.12., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte

Eine der schlimmsten Mißgeburten der Musikgeschichte war der Jazzrock, der gerechterweise auch bald das Zeitliche segnete. Also muß man Mitte der achtziger Jahre schon heldenmutig oder selbstironisch veranlagt oder beides gewesen, sein, um die Gitarren in die Ecke zu stellen und sie durch Geigen und Bläser zu ersetzen. DEKA Dance aus Dresden taten genau das und erfanden sich ein Label, das alles offen ließ: Bläserrockjazzfunkhuberswing.

Diese Musik, die sich auch ziemlich genauso anhört, wie sie heißt, hat DEKA Dance nicht nur seit langem Kultstatus in den Beitrittsgebieten, sondern angeblich auch in Angola verschafft. Aber man soll nicht alles glauben, was die einem erzählen. Besser auch nicht bei ihrem aktuellen Programm, das da heißt „Supershow aus USA“.

20.12., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Fremde Mächte aus dem Weltenraum ersannen ein Trio, mit dem sich Menschen um die Dreißig ohne Reue an ihre Kinder- und Jugendzeit erinnern sollten. Dann installierten sie die Programme in drei bis dato erfolglosen Berliner Rockabilly-Musikern und machten so aus ihnen drei halbwegs erfolgreiche Berliner Unterhaltungsmusiker. Die Space Hobos waren geboren, verkauften fortan zwar keine Platten, aber füllten die Säle.

Die Menschen freuten sich, hörten die Erkennungsmelodien längst verdrängter TV-Serien wie „Bonanza“ oder „Biene Maja“, lange schon vergessene Klassenfeten-Tanzbodenfüller wie „Ballroom Blitz“, und nach drei Stunden ging alles erledigt und von der eigenen Erinnerung gereinigt nach Hause. Dann gab es einen Programmierfehler beim Schlagzeuger, die 200 Songs Repertoire schienen verloren, die Space Hobos aufgelöst. Nun aber ist wieder alles im Lot, und die Party geht weiter.

23.12., 22 Uhr, Franz

Irgendwann waren Armin und Ralf Maria mal sehr traurig mit ihrer Gitarre und ihrem Schlagzeug. Jedermann fand sie und ihre Band Milch zwar sehr lustig, aber ihre Platten wollten trotzdem nur wenige kaufen. Überhaupt mochten sie den Begriff Geniale Dilletanten nicht mehr auf sich angewendet wissen.

Gerade zu dieser Zeit begab es sich aber, daß die beiden von Bayern nach Hamburg auswanderten und öfters mal tanzen gingen. Also gaben sie ihre Instrumente in die Pfandleihe und erwarben statt dessen elektronische Geräte, mit denen man diesen wundervollen Blubbersound herzaubern konnte. Ganz besonders beeindruckt waren sie in den Diskotheken bei ihrem Pauschalurlaub an der italienischen Riviera. Schön stumpf dieses Zeugs, was die so Italo-House nennen, dachten sie sich, und: Das spielen wir jetzt auch.

Das ist nun aber schon einige Zeit her, und seitdem hat man wenig gehört von Milch. Eine neue Platte ist gerade in Arbeit, den Stand der Dinge gibt es am Heiligen Abend zu besichtigen. Mit dabei sind die Hamburger DJs Elasme und Munoz, die Warnung „Vorsicht: 80iger Jahre!“ und die Drohung, mit dem Ganzen nicht vor zehn Uhr morgens fertig zu sein.

24.12., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Der Mann hat sich sein eigenes Wahwah-Pedal gebastelt. In den 50ern! Es gibt Leute, die behaupten, Link Wray hätte damals schon Heavy Metal, Punk und Noiserock erfunden. The Who nahmen ihm einen Huldigungssong auf, und Pete Townsend behauptete einmal, er hätte niemals eine Gitarre in die Hand genommen, wenn es ihn nicht gegeben hätte.

Motörheads Lemmy hält ihn für den großartigsten Gitarristen, und Bob Dylan glaubt, „Rumble“ sei das beste Instrumental aller Zeiten. Jerry Garcia fühlte sich geehrt, als sein Begleitmusiker auftreten zu dürfen. In den achtziger Jahren folgten dann unzählige 60ies-Bands, die sich nach Link Wray & the Raymen benannten. So richtig berühmt wurde der inzwischen in Dänemark lebende Halbindianer aber nie, was auch daran lag, daß er sich nie die Haare abschneiden lassen wollte und deshalb in der Fünfzigern kaum Auftritte bekam. Und er ging lieber Taxi fahren, als sich von Produzenten seine Gitarre weichspülen zu lassen.

„Rumble“ erreichte zwar die Top 20 der Billboard-Charts, aber wurde zeitweise nicht im Radio gespielt, weil man einen Zusammenhang zu den Bandenkriegen in New York sah, und dürfte damit wahrscheinlich das einzige Instrumental in der Geschichte der Popmusik gewesen sein, das so etwas geschafft hat. Und trotz aller Geschichte dürfte Link Wray heute der lebendigste 67jährige im Rockgeschäft sein.

26.12., 21 Uhr, Knaack Thomas Winkler