piwik no script img

Das PortraitDer lang erwartete Messias

■ David Ho

Erstmals seit 1960 ist von der Redaktion der amerikanischen Zeitschrift Time der Titel eines „Menschen des Jahres“ wieder an einen Wissenschaftler verliehen worden. Die Auszeichnung wird David Ho zuteil, einem 43jährigen Mediziner und Biologen asiatischer Abstammung, der 1978 an der Harvard-Universität promovierte und seither über psychische und physische Faktoren der menschlichen Immunabwehr forscht.

Ho gilt momentan als der lang erwartete Messias der Aidsszene, ein Heiland, der bescheiden auftritt und anders als sein Kollege Robert Gallo wenig Getöse um sich verbreitet. Er war es – zusammen mit seinem Kollegen Martin Markowitz –, der am New Yorker Aaran- Diamond-Aids-Forschungsinstitut die Wirkweise des HI-Virus im menschlichen Körper analysierte und daraus ein entsprechendes Therapiekonzept entwickelte.

„Schlagt HIV – früh und hart“, faßte er seine Erkenntnisse zusammen. Nicht erst im Endstadium der Immunschwächekrankheit sollten Medikamente verabreicht werden, sondern schon sehr frühzeitig. Bereits kurz nach der Infektion, so ergaben seine Forschungen, traktiere das Virus das Immunsystem, ohne daß dieser Kampf im Körper zu Erkrankungen führen muß. Werde der Patient erst im Stadium des Aids-Vollbildes medikamentös behandelt, gäbe es keine Chance mehr – das Virus konnte so oft mutieren, daß kein Mittel mehr helfen kann, den physischen Verfallsprozeß aufzuhalten.

Ho plädierte statt dessen für eine hochkomplexe Kombinationstherapie. Mit einem Mix aus Proteasehemmern (Virusblocker) und traditionellen HIV-Hemmern ließ er 26 Aidskranke behandeln. Der Erfolg war sensationell: 24 der Therapierten wiesen nach kurzer Zeit keine HI- Viren mehr im Blut auf.

Ho gibt sich auch nach der Auszeichnung gelassen. Der Erfolg sei relativ. Erstens verfüge er über noch keine hinreichenden Langzeitstudien, und zweitens sei die Therapie mit 32.000 Mark pro Jahr und Patient noch so teuer, daß sie vom Gros der in Afrika und Asien HIV-Infizierten nicht bezahlt werden kann.

Ho und Markowitz, die für ihre Forschungen auf der jüngsten Welt-Aids-Konferenz mit Beifall überschüttet wurden, dürfen sich nun berechtigte Hoffnungen machen, auch in Stockholm bei der Nobelpreisjury in die engere Kandidatenwahl genommen zu werden. JaF

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen