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Energiebomben für Vegesack

■ Nord-Bremer Punks laden erstmals zu einem Festival / Bands aus vier Ländern / Dabei: Die Veteranen „Extreme Noise Terror“

Es herrscht Aufbruchstimmung im Kulturbahnhof: Zum ersten Mal laden Nord-Bremer Punks als Veranstalter am heutigen Freitag in das Vegesacker Kulturzentrum und haben dazu ihre europaweiten Verbindungen spielen lassen.

Mit den Engländern „Extreme Noise Terror“ haben die Vegesacker einen der renommiertesten Namen der Punk-Szene auf ihren wild gestalteten Handzetteln angekündigt. Mitte der Achtziger waren die Briten eine der ersten Bands, die mit aggressivem Wechselgesang zwischen zwei Sängern eine neue Klangfarbe zum berühmten Drei-Akkord-Schema des Punk hinzufügten. Noch heute verstehen es die wiedervereinigten Punk-Fossile, von rasantem Schlagzeuggehämmer getrieben, ihre alten Anarcho-Hits mit Schmiß unter das Volk zu bringen.

Uneingeschränkte Partytauglichkeit kennzeichnet die „Extreme Noise Terror“-Erben „Distress“ aus Holland. Die drei Mitglieder des Seitenprojektes von „Boycot“-Musikern verstehen sich als lupenreine Vertreter des Crust-Punk. Dies ist eine Spielart des Punk, die sich vor allem über Hygieneverbote und eine extrem politische Grundhaltung definiert.

Wie ihre Crust-Kollegen – Bands, deren Namen traditionsgemäß mit der Silbe Dis beginnen, um eine grundsätzliche Anti-Haltung gegen Alles festzuschreiben – reiten die Holländer scheinbar ewig auf demselben, immer wieder angeschlagenen Akkord herum. Nur ganz gelegentlich kippt das Gedröhne und wird durch einen zweiten, möglichst disharmonischen Ergänzungsakkord unterbrochen.

Daß Leute mit derart einfachen musikalischen Mitteln dennoch voneinander unterscheidbare und überzeugende Songs schmieden, macht den Reiz des Crust aus. Von den einstigen Harmonien der „Sex Pistols“ oder „Clash“ ist nur die pure Energie geblieben. Die wird zudem bei „Distress“ mit einer gehörigen Portion ironischer Distanz zum Genre gepaart: Kalauer und Koma-Gebretter halten sich die Waage.

Die Musiker von „Chaos Bastard“ aus Belgien schlagen in eine ähnliche Kerbe. Die Band stammt aus dem Umfeld der Crust-Vorreiter „Hiatus“ und dürfte damit ebenfalls bestens für eine satte Ladung Punk-Geprügel qualifiziert sein.

Die Nord-Bremer Gruppe „Raising Hell“ rundet das Programm ab. Mit ihren Ausflügen in Rock-, Crossover- und Reggae-Gefilde dürfte sie sogar sowas wie musikalische und stilistische Vielfalt ins Spiel bringen. L.R.

Punk-Festival im Kulturbahnhof heute um 19 Uhr; Einlaß ab 17 Uhr

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