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Arbeitslose, schafft euer Geld endlich ins Tessin

■ Steuerhinterziehung und Sozialmißbrauch sollen 1997 strenger verfolgt werden

Berlin (taz) –Betriebsprüfung im Puff gehört zu den härteren Aufgaben eines Steuerfahnders. Haben die Bordellunternehmerinnen verdächtig geringe Einnahmen angegeben, forschen die Fahnder schon mal nach Einkaufsrechnungen für Kondome. „Können wir dann nachweisen, daß regelmäßig Tausende von Kondomen gekauft wurden, muß der Umsatz wohl ein bißchen höher gewesen sein“, erklärt Wolfgang Lübke, Chef der Berliner Steuerfahnder. Nicht nur die Spitzenverdienerinnen im Puff, auch andere Großverdiener geraten im kommenden Jahr schärfer ins Visier der Steuerfahnder.

Ab 1997 gelten einschlägige Erlasse: Von jenen, die im Jahr mehr als 400.000 Mark kassieren, müssen mindestens 70 Prozent damit rechnen, von den Sachbearbeitern schärfer unter die Lupe genommen zu werden. Bei Einkünften von mehr als 300.000 Mark soll mehr als die Hälfte der Hochverdiener durchleuchtet werden. „Meistens werden das Ärzte, Architekten, Unternehmer sein“, sagt Konrad Werpuschinski, Sprecher in der Oberfinanzdirektion Berlin.

Die Finanzbeamten checken dabei vor allem die geltend gemachten Betriebsausgaben. Was Spitzenverdiener schwarz kassieren, bleibt dagegen oft unentdeckt. „Einnahmeverkürzungen sind schwerer nachzuweisen“, so Werpuschinski. Um die Betriebsausgaben zu überprüfen, lassen sich die Finanzbeamten die Belege für Lieferungen, Neuanschaffungen, Reisekosten und Bewirtungen kommen und fordern auch Listen der Honorarempfänger an. Erst bei Verdacht marschieren sie unangemeldet in die Betriebe, um sogenannten „Vergrabungsbewegungen“ zuvorzukommen.

Durch Kontrollmitteilungen an die Finanzämter der Honorarempfänger und Nachfragen bei Lieferanten läßt sich in Grenzen nachprüfen, ob die angeführten Ausgaben auch tatsächlich beim Empfänger ankamen und von diesem versteuert wurden.

1995 ist die Zahl der von den Steuerfahndern verfolgten Fälle im Vergleich zum Vorjahr schon um 16 Prozent gestiegen. Im kommenden Jahr werden nicht nur die Steuerfahnder, sondern auch die Sozialversicherer schärfer prüfen. Besonders pikant: Das Netz zwischen Arbeitsämtern und Finanzämtern wird enger geknüpft.

Das Jahressteuergesetz 1997 erlaubt es den Arbeitsämtern, bei den Finanzämtern Auskünfte über die sogenannten Freistellungsbescheinigungen von Arbeitslosen einzuholen. Durch die Freistellungsbescheinigungen der Banken läßt sich ersehen, ob ein Arbeitslosenhilfeempfänger vermögend ist. Diese Informationen können nun via Finanzamt an die Arbeitsämter gelangen. Damit sind alle Vermögenden dran, die nebenbei Arbeitslosenhilfe beziehen. Bei Arbeitslosenhilfeempfängern wird das Vermögen bis auf einen Freibetrag von 8.000 Mark und eine selbstgenutzte Immobilie angerechnet.

Wer also länger als ein Jahr erwerbslos ist und dann in die Arbeitslosenhilfe rutscht, muß erst mal sein Vermögen bis auf den Freibetrag aufbrauchen, bevor er Geld vom Arbeitsamt bekommt. Es sei denn, er schafft das Vermögen vorher in die Schweiz. Mit der neuen Gesetzesregelung ist das Überprüfungsnetz erheblich dichter geworden, „und das ist auch so gewollt“, betont ein Sprecher im Bundesarbeitsministerium.

Nicht nur Großverdiener und Arbeitslose, sondern auch Arbeitgeber für Scheinselbständige haben es künftig schwerer. Die Betriebsprüfer der Krankenkassen sind demnächst den Rentenversicherungträgern unterstellt. Und die haben ein größeres Interesse am detailliertem Unternehmenscheck. Seit 1995 ist gesetzlich vorgeschrieben, daß jeder Betrieb mindestens einmal alle vier Jahre vor Ort durchleuchtet werden muß, erklärt Klaus Drinda, Leiter des Prüfdienstes bei der BfA. Dabei werden nicht nur die Lohn- und Gehaltslisten, sondern auch die Ausgaben für Honorare und Werkverträge geprüft.

Besonders teuer wird es für einen Arbeitgeber, wenn der Scheinselbständige ihn noch kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist verpfeift: Stellen die Prüfer von der Rentenkasse eine „Scheinselbständigkeit“ fest, muß der Arbeitgeber rückwirkend alle Sozialversicherungsbeiträge, also auch den Arbeitnehmeranteil, nachzahlen. „Daran sind schon einige Baufirmen pleite gegangen“, erzählt ein Berliner Bauunternehmer.

Immerhin jede fünfte Anzeige bei der Berliner Steuerfahndung kommt von unterbotenen Konkurrenten, entlassenen Arbeitnehmern oder verstoßenen Geliebten. Lübke: „Die Zahl dieser Anzeigen hat beträchtlich zugenommen.“ Barbara Dribbusch

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