■ Normalzeit: Hauptstadtmusik
Wir alle wissen, was Stereo Total, Plan B und Frieder Butzmann etwa für Musik machen. Was aber macht ein äußerst fähiger Restituierer jüdischen Eigentums mit „rudimentär-bürgerlichen Anschauungen“, wie Gerhard Fuchs-Kittowski (den die Vermögensämter mit allen möglichen faulen Tricks auszubremsen versuchen), mit einem ebenso kreativen Ostkomponisten wie Knut Becker, wenn sie sich schräg gegenüber von Beckers Tonstudio im „Jailbreak“ treffen?
In der Stammkneipe übrigens von ORB-Journalist Stefan Schwarz, dessen Vater einmal mit großer Bravour und nicht viel mehr als 5.000 MfS-Mitarbeitern eigens für Bundeskanzler Helmut Schmidt in Güstrow ein komplett vibrierendes Stadtleben simulierte? Richtig! Sie kümmern sich um die „Orgeln in den Berliner Kirchen“, und die Konzeption dafür wird dann auch schon bald auf die „gesamte märkische Orgellandschaft“ ausgedehnt.
Zunächst werden erste Orgelaufnahmen gemacht – mit einer neuartigen Mikrophontechnik – und zugleich Veröffentlichungen von renommierten Orgelwissenschaftlern angeleiert. Als Sponsor findet sich die Fundustochter Bredero, die dann aber wieder abspringt, weil Frau von Jagdfeld andere Vorstellungen hat.
Ähnliches passiert später mit der Dresdner Bank, hierbei war man von dem Sponsorenkonzept ausgegangen: „Bei jeder DB-Filiale ist eine Orgel in der Nähe.“ Dann kommt es zu einem ersten Orgelkonzert im Französischen Dom. Sodann bekommt Knut Becker den Auftrag, die Musik für den Bednarz-Film „Eine Reise durch Ostpreußen“ zu komponieren, wobei er die Rechte an den WDR abtritt.
Nachdem Becker mit Fuchs- Kittowski zusammen den Musik- Verlag „b.tont“ gegründet hat, erwirbt dieser die Lizenz für eine CD-Produktion vom WDR zurück. Die ersten 1.000 verkaufen sie an den WDR. Inzwischen sind jedoch bereits etliche Auflagen abgesetzt. Als nächstes wird eine Orgelaufnahme in Groningen gemacht, die ebenfalls auf CD vertrieben werden soll: ein Bachsches Violinkonzert, das auf Orgel umgeschrieben wurde. Darauf folgt ein Klavierkonzert von Stefan Malzef aus Schwerin: Hierbei ist neben einer CD auch noch ein Buch mit Kurzgeschichten von Stefans Freundin geplant. „Beide Aufnahmen gehen demnächst ins Preßwerk.“
Noch nicht serienreif ist dagegen die Musik für Andrew Hoods ZDF-Spielfilm über den Erfinder der fast unsterblichen Glühbirne, Dieter Binninger, wozu Fuchs- Kittowski, der inzwischen zwei Prozesse gegen das Vermögensamt gewonnen hat, derzeit vier Liedtexte schreibt.
Sie umspannen die gesamte Entwicklung von der Genesis („Es werde Licht“) über die Glühbirnenerfinder Goebel/Edison und die russische Elektrizitätsaufklärung „Ubi Lenin ibi Jerusalem“ (Ernst Bloch) bis zur endgültigen Abwicklung des Lichtkombinats Narva in Ostberlin („Jeder liefert jedem Qualität“) und den damit zusammenhängenden Flugzeugabsturz von Dieter Binninger.
Soweit der momentane Stand der Musikproduktion von Knut Becker und Gerhard Fuchs-Kittowski. Auf weitere Werke darf man gespannt sein, Fuchs-Kittowski ist jedoch erst einmal wieder nach Brasilien und Israel abgedüst, wo viele seiner Restitutionsmandanten leben: „Das Geschäft muß ja weitergehen!“
In Düsseldorf plant derweil der dort gerade mit einem Lehrstuhl endversorgte Politologe Wolfgang Dreßen eine Ausstellung über Restitutionsskandale: So wurden zum Beispiel die Akten der Oberfinanzdirektion Berlin schon gleich nach der Wende für Restitutionsbearbeiter gesperrt, Dreßen gelang es jedoch, sich etliche Akten daraus als Exponate zu sichern. Da ist Musik drin! Helmut Höge
wird fortgesetzt
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