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MICK SCHLÄGT SICH, MICK VERTRÄGT SICH

■ Triumphale Welttournee der Rolling Stones setzt neuen Maßstab: „Rock or Die“

Als am Abend des 14. August das hochmoderne Wembley-Stadion, wenige Wochen zuvor noch Schauplatz des Finales der Fußballweltmeisterschaft, in ein Meer von Feuerzeugflammen und Wunderkerzen getaucht wurde und aus 120.000 Kehlen die Verse von „Lady Jane“ erklangen, war die musikalische Sensation perfekt.

Zehn Jahre nach ihrer letzten Welttournee und sechs Jahre nach der legendären Kneipenschlägerei zwischen Mick Jagger und Keith Richards in der Kellerbar von Ron Wood hatten die Rolling Stones wieder ein Konzert gegeben. Auftakt zu ihrer Tournee, die sie im weiteren Verlauf durch Europa, Japan und die USA führte und schließlich abgebrochen werden mußte, weil Bassist Bill Wyman nicht mehr wachzukriegen war.

Schon das Erscheinen des neuen Albums der Band, das den Titel „Rock or Die“ trug, hatte für weltweites Aufsehen gesorgt, auch wenn es ausschließlich aus neuen Versionen alter Songs bestand. „Satisfaction“ zum Beispiel (Keith Richards spielte das berühmte Riff auf einer Harfe), „Jumpin' Jack Flash“ (Mick Jagger im Duett mit Michael Jackson) oder „Honky Tonk Women“ (mit Wolfgang Niedecken als drittem Gitarristen und auf Kölsch).

An einen gemeinsamen Auftritt der berühmtesten Band aller Zeiten war dennoch nicht zu denken, schließlich hatten die Anwälte von Jagger und Richards vor der Erstellung des neuen Werks ausgehandelt, das die beiden ihre jeweiligen Parts in Studios aufzunehmen hätten, die mindestens 10.000 Kilometer voneinander entfernt lagen. Um so überraschender die Ankündigung einer Pressekonferenz der Streithähne, die im Juni im New Yorker Madison Square Garden abgehalten wurde. „Wahrscheinlich über zehn Runden“, hatte die New York Times vorher gespottet, aber dann ging alles sehr gesittet vonstatten. „Wir haben uns ausgesprochen“, erklärte Jagger, worauf Ron Wood grinsend einwarf: „Ja, ich konnte gerade noch dazwischengehen.“ Richards bestätigte jedoch, daß „die Sache“ endgültig aus der Welt sei, zumal sich keiner mehr daran erinnern könnte, worum es überhaupt gegangen war. „Wahrscheinlich um eine Frau“, mutmaßte Ron Wood. „Was ist das?“ entgegnete Jagger und hatte die Lacher auf seiner Seite.

Dann kam der Hammer: Zur Feier der Versöhnung wolle man eine große Welttournee abhalten. Sogar Charlie Watts und Bill Wyman habe man gewinnen könne, letzteren allerdings nur unter der Bedingung, daß er im Lehnstuhl spielen und während der Konzerte die Augen geschlossen halten dürfe. Der 63jährige Jagger sagte, daß er bereits jeden Tag für die Shows trainiere, indem er einmal mit dem Hund um den Block gehe. Ron Wood kündigte an, daß er bis zum Tourbeginn so viel abspecken werden, daß seine Finger wieder auf die Saiten paßten, und Richards versprach sogar, „zwei, drei neue Songs“ zu komponieren“.

Das war, wie sich herausstellte, ein wenig über das Ziel hinausgeschossen, doch auch ohne neue Stücke bewies das Londoner Konzert, daß die Band nichts verlernt hat. Schon beim ironischen Einstieg mit „The Last Time“ wußte der 62jährige Richards, der inzwischen eher wie ein Stück Borkenschokolade denn wie ein Rockstar aussieht, mit seinem unverwüstlichen Gitarrenspiel zu begeistern, und Jagger fegte bei „Start Me Up“, „19th Nervous Breakdown“ und „Midnight Rambler“ derart gewandt über die Bühne, daß man seinen Hund nur bewundern kann. Das Publikum nahm es den Stones auch nicht übel, daß sie alle 15 Minuten eine halbstündige Pause einlegten, wobei sie Bill Wyman meist auf der Bühne vergaßen.

Höhepunkt des Abends war der Gastauftritt des inzwischen eisgrauen Bob Dylan, welcher zusammen mit Jagger zur akustischen Gitarre „Street Fighting Man“ nuschelte, dazu süffisant grinste und endgültig die Behauptung eines deutschen Nachrichtenmagazins widerlegte, daß bei den Shows lediglich Bänder der zurückliegenden Tour gespielt würden.

Insgesamt war das Comeback der Stones wohl das gelungenste Revival seit der Pink-Floyd-Reunion mit Roger Waters und Syd Barrett vor fünf Jahren. Madonna wird sich nächstes Jahr ins Zeug legen müssen, wenn sie mit ihrer „Like A Grandma“-Tour ähnliche Triumphe feiern will. Matti Lieske

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