■ Querspalte: Zeit für Wechsel
Ob uns wirklich das 1.997ste Jahr bevorsteht, ist bekanntlich allein festem Christkindl-Glauben geschuldet. Aber selbst wenn – bis zum Jahrtausend-Showdown sind es noch vier statt drei Jahre. Weil man dereinst mit dem Jahre 1 begonnen haben dürfte und kaum mit 0, steht das Neo-Millennium erst bei 2001 an.
Doch was ist schon ein läppisches Jahr, wenn es um Minuten geht. Längst wird der Kalendersprung weltweit vermarktet, fokussiert auf den Pazifik, wo westlich der Datumsgrenze jeder neue Tag sein Dasein startet. Zwei Londoner TV-Firmen streiten sich um die Filmrechte der ersten 2000er Sonnenstrahlen auf der östlichsten Inselkuppe der neuseeländischen Chathams. Wer live dabeisein will, wird in den Urlaub gelockt: Erst zur Silvesterparty nach Fidschi, dann per Zeitrückreise nebenan nach Samoa und alles noch mal von vorn. Auch vor Ort, im Stillen Ozean, geht es zur Sache. Kiribati hat kürzlich seinen Kalender vorgestellt, um allen Jahrtausendsprungkonkurrenten voraus zu sein. Was wiederum Seine Voluminösität, den König von Tonga, nicht ruhen läßt: Das dicke Cleverle will eine eigene Sommerzeit dekretieren, um zum Showdown wieder die Pole-position zu übernehmen und damit sogar den südlicheren Chathams sonnenaufgangstechnisch voraus zu sein. Neue tongaische Hotels sind in Planung, weil die alten schon ausgebucht sind.
Noch drei Jahre. Bald wird wohl auch noch die Datumsgrenze komplett verschoben – die Franzosen bomben sie bei Tahiti weg, die Amis annektieren nach Hawaii und Amerikanisch-Samoa auch den Restpazifik und machen alles noch gleichzeitiger. Dann wird die Uhr rund um die große Kugel immer schneller vorgestellt, bis uns die Zeit rückwärts überholt und alle den Termin verpassen.
Sicherheit verheißt nur der Südpol. Dort kann man am D-Day 24 Stunden lang mit einem Schritt zwischen den Jahrtausenden pendeln und so die Korken immer wieder knallen lassen. Mit bester Sicht zudem: Es wird dort eiskalter Hochsommer sein und 24 Stunden hell. Nix wie hin. Bernd Müllender
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