: 27 Partygäste wurden abgeführt
■ Sie sollen Polizisten mit Flaschen beworfen haben / Frost verhinderte Sielwall-Krawall
Das Ritual ist gebrochen. Nach vielen Jahren, in denen sich Polizei und Ostertorsche sicher auf Silvesterkrawalle einstellen konnten, ist dieses Mal nichts passiert. Fast nichts. Denn es gab auch laut Polizeipressestelle nur einen „nennenswerten Vorfall“, und der ereignete sich, als schon alles vorbei war.
Das neue Jahr ist gerade eine Stunde alt, da verläuft sich die Silvesterparty schon wieder in wärmere Feierstuben. Nur die PolizistInnen bleiben noch zurück. Gegen 1.30 Uhr werden sie aus einem Haus am Dobbeneck mit einigen Flaschen beworfen. Die BeamtInnen dringen daraufhin (wegen „dringendem Tatverdacht und Gefahr im Verzug“) in das Haus ein und nehmen 27 junge Leute fest, die dort in einem der oberen Stockwerke eine Privatparty feiern. Nach eigenen Angaben gegenüber der taz habe niemand von ihnen etwas aus dem Fenster geworfen. Die jungen Leute – zwischen 20 und 28 Jahre alt – werden in Handschellen abgeführt und in die Justizvollzugsanstalt in Oslebshausen gebracht. Dort werden sie vernommen und nach drei Stunden freigelassen. „Wir durften dann so um halb sechs durchs Tor gehen und standen in der Kälte rum, zum Glück kam bald eine Bahn“, sagte gestern einer der Beteiligten.
Ihm, der zusammen mit zwei anderen Personen besagte Wohnung am Dobbeneck bewohnt, fehlt jetzt ein Diktiergerät. Denn während der Abwesenheit der Partygäste haben die Polizeibeamten die Wohnung durchsucht, „auf den Kopf gestellt“, sagen die BewohnerInnen. Im Abstellraum wurden Koffer ausgeräumt, Disketten wurden auf dem Boden zerstreut, die Wohnung wurde gefilmt und fotografiert. Eine Frau, die aufgrund von Bauchschmerzen zurückgelassen worden war, mußte aus ihrem Bett aufstehen. Eine über die Pressemitteilung hinausgehende Stellungnahme der Polizei war dazu gestern nicht mehr erhältlich.
Mehr als ein paar kleinere Scharmützel fanden ansonsten in der Silvesternacht nicht statt, alle Schaufensterscheiben rund um das Sielwalleck blieben heil. Analog dankte Innensenator Ralf H. Borttscheller (CDU) den BeamtInnen in seiner Silvester-Bilanz (siehe untenstehenden Kasten).
Schon im Vorfeld des Jahreswechsels war die gewohnte Debatte um die Feier am Sielwall ausgeblieben. Die einschlägigen Magazine hatten das Traditionsereignis schlicht ignoriert. Und bei der letzten Sitzung der Innendeputation im alten Jahr war das Thema Silvester nicht einmal auf der Tagesordnung. Ein einziges Flugblatt war im Dezember aufgetaucht, das zum üblichen Ritual aufrief. Doch das blieb ohne große Resonanz.
Wie im letzten Jahr war die Polizei dann in der Nacht mit einem reichlichen Aufgebot auf der Sielwallkreuzung und in den Nebenstraßen präsent. Überall standen Mannschaftswagen, vor dem Ortsamt wartete ein Gefängnis-Bus. Auf der Kreuzung selbst reichte ein kleineres Polizei-Kontingent – und der Frost. Nur ein paar Unentwegte probierten immer wieder, die Polizeikräfte aus Bremen und Bremerhaven sowie vom Bundesgrenzschutz zu provozieren. Mit mäßiger Durchschlagskraft. Die Stimmung war weitgehend friedlich.
Die PolizistInnen griffen nur wenige Male ein, und dabei ging es meist um Einzelpersonen ohne die in den Vorjahren übliche Eskalation. „Was soll ich dem seine Schreckschußpistole abnehmen“, sagte ein Polizist, nachdem er einen jungen Mann durchsucht hatte. „Da müßte ich ja die ganze Kreuzung filzen.“ Doch die Stimmung auf der Sielwallkreuzung war weit mehr nach Party als nach Krawall. Es wurde nicht geknüppelt und angegriffen, es wurde geredet – meist im überraschend freundlichen Ton.
Bei bitterkalten Temperaturen um minus 15 Grad löste sich die Feierversammlung schon gegen ein Uhr weitgehend auf. J.G./sip
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen