Durchs Dröhnland: Die Folgen des Punk-Revivals, Teile eins und zwei
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Irgend jemand hat vergessen, es in den unzähligen Jahresrückblicken zu erwähnen: die glorreiche Rückkehr des Studentenwitzes. Ihr wißt schon, die Sache mit dem „Es ist nichts dämlich genug, als daß man es nicht schon wieder gut finden kann“. Erst kürzlich sprach ich mit jemandem, der zwar kein Student ist, aber mich zum wiederholten Male von der Lustigkeit Louis de Funès überzeugen wollte. Irgendwann merkt man zwar, daß man über Geschmack nicht streiten kann und schon gar nicht über Humor, aber trotzdem sperrt sich irgend etwas ganz tief drinnen in mir, daß man alles gut finden kann. Weswegen ich mir jetzt die Freiheit rausnehme, die Drei Flaschen in'na Plastiktüte auch wirklich so Scheiße finden zu dürfen, wie sie sind. Es tut mir ja in der Seele weh, denn ich hätte mir gerne noch soviel kindliche Naivität bewahrt, über Pseudonyme wie Körnel Kinderfresser oder M- Zieh Klopädie lachen zu können. Das war damals vor fast fünfzehn Jahren, als sich Ärzte zum Beispiel Farin Urlaub nannten, auch schon nicht mehr der Brüller. Und daß Leute völlig unmusikalisch sind und sich auch noch darüber lustig machen, dadurch wird die Musik auch nicht erträglicher. Ich weiß, gerade das soll lustig sein, aber Helge Schneider ist Musiker und ein ziemlich guter, und deshalb funktioniert das bei ihm. Bei den Drei Flaschen nicht. Auch wenn Kreuzberger Punks bei ihren Auftritten gerne über die eigene Bescheuertheit ablachen, bevor sie sich noch ein wenig mit Bier bespucken. Die Drei Flaschen haben aber wenigstens, so sagen sie selbst, „viel Spaß“. Und das ist doch schön für sie.
Mit Die Kassierer, heute 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176
Immer recht alleine standen Alice Brennen mit ihrem Versuch, die Kreuzberger Völkermelange auf einen musikalischen Punkt zu bringen. Leider haben sie sich aber zwischenzeitlich von den türkischen Einflüssen, mit denen dann „Ring of Fire“ oder auch „Paranoid“ bearbeitet wurden, entfernt, um bei einem recht austauschbaren Schmockrock zu landen. Kann man nur hoffen, daß sie sich wieder eines besseren besonnen haben.
Heute 21 Uhr, Wabe, Danzigerstraße 101
Dafür habe ich nie verstanden, was alle Welt an der Oyster Band findet. Wenn man schon Folkrock spielt, dann muß er doch nicht so langweilig sein. Da erwarte ich mir von der eigentlich völlig überflüssigen Reunion der Men They Couldn't Hang noch mehr. Nun gut, immerhin hat sich die Austernband für die letzte Platte eine knackige Produktion zugelegt, die eher rockt als zart daherfolkt. Ihre traditionellen keltischen Wurzeln können sie aber natürlich nicht verleugnen, und das wollen sie auch gar nicht und bla bla. Am schönsten sind natürlich die Mitgrölsongs, in die man immer noch herrlich einen vollgestopften Pub hineinklischieren kann, in dem gerade der Ruf „Last Orders“ erschallt und jeder drei bis fünf Bier auf Vorrat vor sich stehen hat. Dazu geigt dann die Geige, was die Saiten hergeben, und der Alkohol wird stante pede in Tränenflüssigkeit umgesetzt.
5. 1. 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz
Vor Wochenfrist war Max Raabe im TV ohne sein Palastorchester als er selbst, wenn auch unter dem Pseudonym Attila, im Remake von „Charleys Tante“ zu besichtigen, wo er ganz herzallerliebst Schnapsflaschen leerte und anschließend die Augen verdrehte und umfiel. Dann sang er noch, und das war sehr schön. So ist er eben, der Max.
5. 1. 15.30 Uhr, Schauspielhaus am Gendarmenmarkt
Folgen des Punkrevival I: Die Heiligen Drei Könige wären vor – sagen wir mal – drei Jahren nie im Leben aus ihrem Kreuzberger Übungskeller herausgekommen. Jetzt haben sie einen Major-vertrag und werden von der Industrie ins Rennen geschickt, den Ärzten an die Wäsche zu gehen. Also spielen sie Humptamusik, texten lustige Texte (haha) und covern Rex Gildo (noch mehr ha). Ja, ähem, ha.
6. 1. 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39
Folgen des Punkrevival II: Jud, kaum mehr als noch ein Trio aus Los Angeles, sind eine der vielen kleinen Rockproduktionseinheiten, die uns das Punkrevival wieder vor Augen geführt hat. Ob man mit den breiten Riffs was anfangen kann, bleibt jedem selbst überlassen, aber wenn, dann ist man bei Jud an der richtigen Adresse. So frech und dreist und deshalb überzeugend, als wäre Punkrock gerade eben erst erfunden worden.
9. 1. 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei! Thomas Winkler
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