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Maxim Biller: Je toter, desto Haß Von Wiglaf Droste

Den Maulhelden und klassischen Feigling erkennt man leicht: Sein Mut wird um so größer und prahlerischer, je angeschlagener der Gegner ist; im günstigsten Falle ist er bereits tot und begraben, dann fällt das Mummhaben am leichtesten. Die Methode ist bekannt und beliebt: Woche für Woche werden im Fragebogen der FAZ Hitler und Stalin zwar nicht gehaßt, aber immerhin „verachtet“, daß es nur so kracht, und die DDR wird, seit es sie nicht mehr gibt, täglich glühender und heroischer verwünscht und gefressen von Heldenzwergen wie Wolf Biermann, Henlyk M. Blodel u.v.ä.m.

Gut 20 Jahre nach ihrem Tod am 9. Mai 1976 hat es nun auch Ulrike Meinhof voll erwischt: Im Zeitmagazin nimmt Maxim Biller, der ehemalige Hundert-Zeilen- Haß-Onkel von Tempo, Maß und schreibt Ulrike Meinhof ein Boulevardepitaph mit allen Schikanen: „Diese kalte Frau mit dem warmen Augenaufschlag“ sei ein „bolschewistisches Terrormonster“ gewesen, weiß Biller, und singt „von den zerfetzten, zerstückelten, zu Tode traumatisierten Menschen, die Ulrike Meinhofs Taten und Texten zum Opfer gefallen sind“. Abgesehen davon, daß man Texten nicht zum Opfer fallen kann, nicht einmal denen von Maxim Biller und leider auch nicht Maxim Biller dieser Suada hier – wen hätte denn bitte Ulrike Meinhof „zerfetzt“ oder „zerstückelt“? Oder hat Biller den Krampf bloß abgeschrieben, aus dem rechtsalternativen Berliner Programmkalender zitty, in dem vor zwei Jahren ein – gepriesen sei der Name! – Jan Gympel aus Ulrike Meinhof eine „Massenmörderin“ machte, weil ihm gerade danach war?

Was willer, der Biller, fragt man sich, aber er sagt nichts, er erzählt nur Senf wie diesen: „Ich bin ein richtiger, echter Kolumnist, und genau deshalb hasse ich Ulrike Meinhof, quasi von Kollege zu Kollegin, auch mit jeder Taste meines Computers und jeder Windung meines Gehirns.“ Booah ey, kann der hassen! Mit jeder Taste seines Computers! Für einen Auftritt im Zirkus müßte das reichen.

Wie aber kommt einer darauf, solch frei flottierende Denunzianz in die Welt zu tröten über Ulrike Meinhof, für die sich außer einer Handvoll Struppis im Hamburger Schanzenviertel und außer Oliver Tolmein, dem Selfmade-RAF-Experten, der, was immer es bedeuten möge, Ulrike Meinhof in Konkret (5/96) „Ikone und Präparat“ nannte, niemand interessiert, am wenigsten Maxim Biller – der allerdings dem Tolmein ähnelt wie ein Eierbovist dem anderen?

Billers simulierter Haßausbruch, seine Als-ob-Empörung speist sich aus allein einer Quelle, der Halluzination. Um Ulrike Meinhof schlachten zu können, muß er sie als Popanz erst aufbauen, und so behauptet er, es werde demnächst Ulrike-Meinhof-Straßen, -Gymnasien, -Stiftungen und -Preise geben, weil angeblich alle deutschen Linken, Liberalen und Intellektuellen „verrückt nach ihr“ seien. Der Trick ist so alt wie schäbig: Erst wird die Nachricht herbeigelogen, und dann schwillt dem Kommentator der Kamm.

Billers provozierend sein wollender, aber grundfeiger Text teilt nur eins mit: Auch mehr als 20 Jahre nach ihrem Tod ist Ulrike Meinhof für Biller ein solches Lenor-Gewissen, daß er sich an ihrer Leiche noch die Füße abtreten muß. Das weiß man nun, und wollt's doch gar nicht wissen.

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