: Serbiens Regierung braucht „mehr Zeit“ für Antwort auf OSZE-Bericht
■ Bericht dennoch „definitiv“. Serbisch-orthodoxe Kirche berät über Massenprotest. Miliz schreitet an Neujahr nicht ein
Wien/Belgrad (AFP(/dpa/taz) – Die serbische Regierung hat die OSZE um „ein bißchen mehr Zeit“ gebeten, um deren Bericht über den Ausgang der Kommunalwahlen im November zu prüfen. Das sagte ein Diplomat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gestern in Wien. Eigentlich hatte Belgrad bis heute auf den Bericht reagieren sollen, laut dem die Annullierung von Kommunalwahlergebnissen nicht Rechtens war. Für heute hat die OSZE eine außerordentliche Sitzung einberufen.
„Diese Sitzung räumt allen Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein, individuell zu dem Bericht und seinen Konsequenzen Stellung zu beziehen“, sagte der OSZE-Diplomat. Er betonte, daß der Bericht keinen „vorläufigen Charakter“ habe. Dies hatte der jugoslawische Außenminister Milan Milutinović behauptet. Die Ergebnisse des Berichtes der OSZE seien definitiv, es gebe keinen anderen Bericht, sagte der Diplomat. In ihrer Stellungnahme hatte die OSZE am 27. Dezember erklärt, der Opposition stehe der Sieg bei den Kommunalwahlen in 14 der 18 größten serbischen Städte zu.
In Belgrad versammelten sich gestern dreißig Bischöfe der serbisch-orthodoxen Kirche unter Leitung des Patriarchen Pavle zu einer Synode, auf der sie die anhaltenden Proteste der serbischen Opposition diskutieren wollen. An der Synode nehmen alle serbisch- orthodoxen Bischöfe aus Jugoslawien teil, ihre fünf Kollegen aus Bosnien-Herzegowina jedoch nicht. Die Synode, die hinter verschlossenen Türen tagt, will heute eine Erklärung abgeben.
Mehrere zehntausend Studenten und Bürger Belgrads hatten am Neujahrsabend trotz Demonstrationsverbots einen neuen Protestspaziergang im Stadtzentrum friedlich beendet. Zum ersten Mal seit dem brutalen Polizeieinsatz an Weihnachten konnten die Demonstranten ungehindert durch die Stadt spazieren. Die Miliz war nicht anwesend.
Mit Kochtöpfen, Trillerpfeifen und Glocken protestierten die Demonstranten lautstark gegen die Staatspropaganda. Ihr Weg führte sie deswegen am Staatsfernsehen und der regierungstreuen Zeitung Politika vorbei. In allen Straßen wurde der Protestzug von Autofahrern, Passanten und Anwohnern stürmisch begrüßt. In vielen Stadtteilen waren die Belgrader einem Studentenaufruf gefolgt und hatten um Punkt 19.30 Uhr mit Beginn der Hauptnachrichtensendung des staatlichen Fernsehens mit Lärm gegen die einseitige Berichterstattung der gleichgeschalteten Medien protestiert.
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