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■ NormalzeitDie Kantstraße – einmal runter

Neue Kantstraße: das ICC mit seiner scheußlichen Riesenskulptur davor – ein siegreicher Krieger an einer Science-fiction- Waffe. Er korrespondiert mit der Lüpertz-Plastik „Der gestürzte Krieger“ – vor dem mißlungenen „Kant-Dreieck“ und seinem Blechsegel obendrauf.

Die Nr.21 ist das einzige Hochhaus in der Straße. Wolfgang Antes wohnt dort. Auf dem ehemaligen Kantstraßen-Schrebergarten-Gelände nebendran baut jetzt das Bezirksamt eine Sporthalle. Dann die Kneipe „Zur Tränke“. Eine Toilette im Schwarzwaldhausstil. Das „Aviation-Center“ (Flugzeuge zum Selberbasteln). Das Restaurant „Gospoda“ mit polnischer Küche. Der „Verband sozialer Wettbewerb e.V.“. Kapitalanlagen „Pansegrau“. Russische Mode „Elen Exklusiv“ und „Natalie Moden“.

Drei Schuhgeschäfte an der Ecke Wilmersdorfer sowie Karstadts „Preis-Paradies“. Eine Schwulen-Videothek. Dann der Psycho-Trust von Günter Ammon: mit acht riesigen Werbe- Schildern. Der „Iran-Shop“ – mit persischer Musik. Das „Asia- Center“ von Sang Young und der Kulturverein „Maria“ sowie „Spielfilm Vogel“ und Elektronik-Import-Export „Candor“. Die architektonisch berühmten „Kant-Garagen“.

In einer der Wohnungen des Hauses Nr.134b wohnt ein „Coppola“, die Verkäuferin im Blumenladen „Flora Store“ kennt ihn jedoch nicht: „Bei mir kaufen so viele Regisseure!“ Auch die jungen Leute im „Café Kant“ nebendran sind ahnungslos - und haben z.B. noch nie etwas vom großen „moralischen Gesetz“ des Kaliningrader gehört. Die Warhol-Galerie „Sonne“, Brillen „Augenblicke“ (sic). In Nr.139 wohnt Dr. „Abshagen“ – letzter Aufsichtsratsvorsitzender von Narva. Das „Café Hegel“ (soll wohl ein Witz sein). Das „Schwarze Café“ ist jetzt Treffpunkt junger Russinnen. Dann die „Paris-Bar“: Wegen dieses Prominententreffs wurde das Berlinale-Pressezentrum 1996 von der Kongreßhalle ins nahe Interconti verlegt. Gedenktafeln für Carl von Ossietzky und Rudolf Diesel.

Noch immer nicht abgerissen: die zwei Läden vor dem „Kant- Dreieck“ von Frau Zapp: ihr „Schmuck“-Laden und der jüngst abgebrannte „Sex-Shop“. Vor dem Bilka-Kaufhaus Ecke Joachimstaler stand früher das Wohnhaus Nr.159: Dort lebte der Gründer der deutschen Sozialdemokratie, Wilhelm Liebknecht. Der „Tanz-Palast“ für Senioren und „Jähner am Zoo – Zur Selbstverteidigung Waffen für Sammler“. Im „Schimmelpfeng-Haus“ die Selbstbedienungs-Pizzeria „Montovani“, „Regus – komplett ausgestattete Büros“ sowie eine „McDonald's“-Filiale („Jetzt zum Sitzen“), davor: fliegende bzw. fliehende Heroinhändler. Es ist alles da! Helmut Höge

wird fortgesetzt

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