: Fujimori entmachtet die Geiseln
■ Perus Präsident entläßt hochrangige Beamte und Militärs, die sich in der Gewalt der Guerilla befinden
Lima (taz) – Nach Verhandlungen mit dem Guerilla-Kommando der peruanischen „Revolutionären Bewegung Tupac Amaru“ (MRTA) durfte am Donnerstag Emma, der Hund des japanischen Botschafters, die Residenz des Herrchens verlassen. Darüber hinaus aber hat die MRTA, die seit dem 17.Dezember die Residenz des Botschafters besetzt hält, niemanden mehr freigelassen. Somit sind derzeit weiterhin noch 74 Männer in der Gewalt der Guerilleros.
Einer der Geiseln wurde von der Regierung eigenhändig der Prominentenstatus aberkannt: Riviera Díaz wurde von seinem Posten als Chef der „Nationalen Direktion gegen den Terrorismus“ (Dincote) gefeuert.
Damit ist ein Regierungsangehöriger weniger in der Hand der Geiseln, ohne daß er befreit worden ist. Auch für mehrere hochrangige Militärs unter den Geiseln wurden Nachfolger benannt, und es wurde ein neuer Präsident des Obersten Gerichtshofs vereidigt – sein Vorgänger befindet sich ebenfalls in Geiselhaft.
Als Nachfolger von Díaz wird Narcelo Nakamura Sakamoto als neuer Chef in die Antiterrorbehörde einziehen. Ein wichtiger Job wird darin bestehen, die Dincote umzustrukturieren. Der Dincote wurde in den vergangenen Tagen mehrfach vorgeworfen, daß sie die Geiselnahme in der Residenz des japanischen Botschafters auf dem falschen Fuß erwischt habe.
Mit dem neuen Chef an der Spitze soll sich die Dincote wieder stärker um die Guerilla kümmern, die eben entgegen aller Ankündigungen und Vermutungen doch nicht tot ist. Seit sich Präsident Alberto Fujimori als Sieger in der Schlacht gegen die MRTA und den „Leuchtenden Pfad“ hatte feiern lassen, hat sich die Dincote nicht mehr um die beiden Organisationen gekümmert. Statt dessen wandte sie ihre Augenmerk der legalen Linken zu, in der sie am laufenden Band Sympathisanten ausmachte. Observationen und Telefonabhöraktionen gehören in Peru zum Alltag.
So wurde der entlassene General Rodolfo Robles im November 1996 von dem Nationalen Geheimdienst (SIN) entführt, weil er mit seinen Äußerungen dem SIN auf den Wecker ging. Auf Druck der Öffentlichkeit wurde ein Amnestiegesetz erlassen, das seine Freilassung garantierte, nachdem ein Militärgericht sie ablehnte.
Unterdessen lebt die hauptstädtische Wirtschaft nicht schlecht von der Geiselnahme. Nach Schätzungen der Zeitung El Comercio haben die 600 bis 800 internationalen Berichterstatter – darunter einige riesige US-Fernsehteams – bereits 2,5 Millionen Dollar in Peru ausgegeben. Das entspreche etwa der Summe, die 50.000 Touristen an einem Tag ausgeben würden, schrieb die Zeitung. Ingo Malcher
Debatte Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen