: Keine Kinder mehr am Werbellinsee
■ Internationaler Bund kann Ferienstätte nicht wirtschaftlich betreiben. Künftig auch SeniorInnen an Honeckers See
Der Winter hat Einzug an den Ufern des Werbellinsees gehalten. In dem weitläufigen Gelände der Europäischen Jugenderholungs- und Begegnungsstätte ist es still. Nur aus einem Gästehaus ist Musik zu hören. „Werbellinsee bleibt in Kinderhand“, hieß es vor kurzem. Doch die Mitarbeiter wissen es besser: „So wie es war, wird es nicht mehr sein.“
Monatelang hing das Damoklesschwert der endgültigen Schließung über der einstigen Pionierrepublik „Wilhelm Pieck“. Der Internationale Bund für Sozialarbeit (IB), seit 1991 Betreiber der 1.200-Betten-Einrichtung, warf das Handtuch. „Wir rechnen 1996 mit einem Verlust von einer Million Mark“, sagt IB-Finanzreferent Hans-Dieter Thimjahn zu den Gründen. Die Gästezahlen seien 1996 erstmals entscheidend zurückgegangen. Man habe nur von der Substanz gelebt. „Eine wirtschaftliche Führung der Einrichtung war für uns nicht mehr möglich“, betont Thimjahn. Am Silvestertag machte der IB am Werbellinsee die Lichter aus. Nur eine kleine Hoffnung bleibt.
„Wir werden die Jugenderholungs- und Begegnungsstätte in den kommenden zwei Jahren betreiben“, sagt Fritz Bennewitz, Geschäftsführer der Grundstücks- und Entwicklungsgesellschaft mbH Joachimsthal (GEG). Das bisherige Angebot solle dabei erhalten bleiben. Man werde sich aber auch anderen Bereichen des Tourismus öffnen müssen. „Denkbar ist, daß sich auch Senioren oder Kurgäste am Werbellinsee erholen“, meint Bennewitz. Die Auslastung für dieses Jahr sei jedenfalls gesichert, sagt der Amtsdirektor Dieter Ehm.
Die Zukunft der vom IB gekündigten 70 Mitarbeiter ist indes noch ungewiß. Der neue Betreiber will die Personalkosten von bisher jährlich 4,3 Millionen Mark um die Hälfte reduzieren. „Vielleicht können wir uns in der Saison 45 feste Mitarbeiter leisten“, hofft der GEG-Geschäftsführer. Darüber hinaus sei der Einsatz von Pauschalkräften geplant. Das bisher von vielen Schulklassen und Jugendgruppen gern genutzte Freizeitangebot wird unterdessen wohl auf der Strecke bleiben.
In zwei Jahren könnte überdies das endgültige Aus für das Kinderparadies kommen, befürchten viele. Brandenburgs Bildungsministerin Angelika Peter kündigte ein Ausschreibung für die lukrative 125-Hektar-Liegenschaft an. „Das Land muß an einer gewinnbringenden Verwertung der Einrichtung interessiert sein“, erklärte sie. Kai-Uwe Krakau, dpa
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