: Hai hinter Gittern - für bis zu 15 Jahre
■ Betrug, Kreditbetrug und Bankrott: Die Anklageschrift gegen Baupleitier Jürgen Schneider ist fertig. Der Konkursverwalter will das Privatvermögen des Ex-Immobilienhais an Gläubiger verteilen
Berlin/Frankfurt (taz/AP) – Haftverschonung wird es für Jürgen Schneider in absehbarer Zeit nicht geben. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main sieht weiterhin Fluchtgefahr des Bauspekulanten und Milliardenpleitiers. Knapp ein Jahr nachdem Schneider aus den USA nach Deutschland ausgeliefert wurde, hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft gestern die Anklage vorgelegt. Kreditbetrug in zwei Fällen, besonders schwerer Betrug in drei Fällen und Bankrott in einem Fall werfen die Staatsanwälte ihm vor. Nach dem Strafgesetzbuch droht Schneider theoretisch eine Höchststrafe von 15 Jahren. In der Anklage führen die Staatsanwälte Schäden von 550 Millionen Mark auf.
Das ist jedoch nur ein Bruchteil der von Schneider verursachten Verluste. Knapp sieben Milliarden Mark Schulden hatte der Frankfurter Immobilienspekulant seinen 50 Hausbanken und mehreren hundert Bauunternehmen bei seiner Flucht am 5. April 1994 hinterlassen. Die Deutsche Bank als Hauptgläubigerin rechnete die gesamten Bankschulden auf 5,3 Milliarden Mark zusammen.
Zwischen zehn und 30 Prozent ihrer Außenstände haben die Handwerker in den am stärksten von Schneider geprellten Städten Frankfurt/Main, Berlin und Leipzig von den Banken bekommen. „Der Schneider ist bei uns verdaut und vergessen“, sagte Frank Schneiderheinze von der Handwerkskammer Leipzig gestern. Kein Betrieb sei in Leipzig und Umgebung direkt durch Schneider pleite gegangen. Rund fünf Millionen Mark mußten die Unternehmen dort abschreiben.
Denn mehr als die bislang von den Banken beglichenen Forderungen werden Handwerker aus der Konkursmasse kaum erwarten können. Nicht einmal aus dem von Schneider als Privatvermögen bezeichneten 243 Millionen Mark auf einem Konto in der Schweiz bekommen sie etwas. Das Geld will Konkursverwalter Gerhard Walter in den nächsten Wochen zwar an die Gläubiger auszahlen. Doch zusammen mit Schneiders Immobilien, Autos, Schmuck seiner Frau und deren gemeinsamer Villa im Taunus decken sie laut Walter nur rund drei Milliarden Mark der Schulden.
Aus der Konkursmasse bedient sich jedoch zuerst der Fiskus und die öffentliche Hand. Bleibt von der Masse etwas übrig, wird der Rest nach Quoten verteilt. Handwerker und Bauunternehmer müssen nach Schätzungen von Konkursverwalter Walter 120 Millionen Mark abschreiben. Eine bescheidene Summe im Verhältnis zu den Verlusten der Banken, die durch Schneiders Aktionen 2,5 Milliarden verloren.
Die Frankfurter Staatsanwälte haben gestern auch gegen Schneiders Ehefrau Claudia Schneider Anklage erhoben, die am Bankrott ihres Mannes mitgewirkt haben soll. Auch Schneiders ehemaliger Bauzeichner Karl-Heinrich Küpferle muß sich wegen mutmaßlich gefälschter Bauzeichnungen verantworten. So soll Küpferle beispielsweise die vermietbare Fläche in der „Zeilgalerie“ von 9.000 Quadratmetern auf 20.000 Quadratmeter hochgetuscht haben. Mit den angeblich erwirtschaftbaren 58 Millionen Mark Mieteinnahmen hatte Schneider sich laut Anklage einen 45-Millionen-Mark-Kredit von einer Bank erwirkt. In Wirklichkeit ließen sich mit der realen Fläche nicht einmal 12 Millionen Mark Miete erwirtschaften. Ulrike Fokken
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