Jelzin bleibt beim Njet zur Nato-Osterweiterung

■ Nach dem Kohl-Besuch bleibt der Kreml hart. Rußland will bei Entscheidungen des westlichen Bündnisses mitreden und streckt seine Fühler nach Asien aus

Moskau (taz) – Präsident Boris Jelzin rief unmittelbar nach Helmut Kohls Blitzvisite die politische Führung zu sich und bekräftigte, Rußland werde die geplante Nato- Osterweiterung nicht unbeantwortet lassen. An der gestrigen Sitzung nahmen neben Stabschef Anatoli Tschubais, Premier Wiktor Tschernomyrdin und Außenminister Jewgeni Primakow auch Vertreter der Sicherheitsstrukturen und des Verteidigungsministeriums teil.

„Das Treffen bestätigte die negative Haltung Rußlands zur Nato- Osterweiterung“, resümierte Jelzins Pressechef Sergej Jastrschembski. Der Präsident habe „klar und unmißverständlich Rußlands Bedenken über die Folgen einer möglichen Nato-Erweiterung in Richtung Osten dargelegt“. Hoffnungen westlicher Staatsmänner, mit Jelzins Rückkehr in den Kreml könnte sich die seit Monaten angespannte Atmosphäre in der Nato-Frage entkrampfen, haben sich als Irrtum erwiesen.

In den Gesprächen mit Bundeskanzler Kohl, verlautete aus diplomatischen Kreisen, verlangte Jelzin vom Westen eine rechtsverbindliche Verpflichtungserklärung, die es Rußland ermöglicht, bei allen entscheidenden Maßnahmen der Nato mit am Tisch zu sitzen. Im Klartext: Moskau will auf Entscheidungen der Allianz direkt ein- und an ihnen mitwirken. Erst dann wolle man sich mit der Osterweiterung aus einem anderen Blickwinkel befassen. Zuvor hatte bereits der stellvertretende Außenminister Grigori Karasin angedeutet, wo Rußland gedenkt, neue Partner zu suchen, sollten im Sommer die neuen Kandidaten in die Allianz aufgenommen werden: „Das kommende Jahr wird eine intensive asiatisch-pazifische Orientierung der russischen Außenpolitik erleben.“ Mit deutlicher Kritik am Westen führte er aus, die asiatische Orientierung sei ein Beispiel, wie man in neuem Rahmen denken kann, ohne neue Gräben zu schaffen oder Militärblöcke zu erweitern.

Die Zeiten werden stürmischer. Vorschläge, Rußlands Ängste durch eine Charta mit der Nato abzubauen, lehnt Moskau ab. Verteidigungsminister Igor Rodionow weigerte sich vor kurzem, ein Abkommen zu unterschreiben, das einen Austausch von Militärmissionen mit der Nato vorsah. Das militärisch so gut wie handlungsunfähige Rußland pokert hoch, genau wie der Westen. Offenkundig scheut sich die Nato nicht, Rußland wieder in die Isolation zu zwingen. Panzer in Osteuropa in Stellung zu bringen, und sei es auch nur auf dem Papier, fördert die rotbraunen Wüstlinge in Moskau, die ohne Nato keine Chance hätten, an die Macht zu gelangen. Das Volk will Frieden und Wohlstand, ob es Nato-Bürokraten und Vertretern des militärisch-industriellen Komplexes allerorten paßt oder nicht. Klaus-Helge Donath