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Atommüll am Meiler belassen

Greenpeace kritisiert Öko-Instituts-Experten Sailer. Der Widerstand in Gorleben sei notwendig, die Atommüll-Zwischenlagerung an AKW-Standorten am ungefährlichsten  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Berlin (taz) – Mit einem offenen Brief an den Reaktorexperten des Öko-Instituts, Michael Sailer, hat sich Greenpeace Deutschland in die laufende Debatte um Sailers Konzept für die atomare Entsorgung eingeschaltet. Wie Sailer betont Greenpeace, der Abtransport von Atommüll ins Ausland sei unverantwortlich. „Deutscher Atommüll gehört nach Deutschland.“

Doch der Vorwurf des Öko-Instituts-Wissenschaftlers, der Widerstand gegen die Castortransporte nach Gorleben sorge für eine Verbringung ins Ausland, sei eine „Unterstellung“ und „infam“, schreibt der Koordinator von Greenpeace für Atom- und Energiekampagnen, Heinz Laing. Sailer hatte in einem taz-Interview argumentiert, die Proteste hielten indirekt die europäische Plutoniumwirtschaft am Leben, weil wegen der Proteste mehr Atommülltransporte nach La Hague und Sellafield gebracht würden.

Nicht die Atomkraftgegner müßten sich entscheiden, ob sie für ein Zwischenlager in Gorleben oder für die weitere Wiederaufarbeitung im Ausland sind, so Greenpeace. Lediglich die Betreiber der AKWs und die Politiker in Bonn suggerierten, daß diese beiden Alternativen existierten, „weil sie an den Ausstieg nicht ran wollen“. Laing wörtlich: „Tatsache ist doch, daß seit Beginn der Atomenergienutzung die Atommüllfrage ungelöst ist und den Betreibern der wachsende Atommüllberg egal ist, solange sie noch ein Schlupfloch dafür finden.“

Alle Schlupflöcher müßten gestopft werden, findet Greenpeace. Und deshalb seien die Blockaden gegen die Castortransporte so „dringend notwendig“ wie Proteste gegen die Atommülltransporte ins Ausland.

Bei aller harten Kritik zeichnet sich aber auch eine Annäherung ab. Greenpeace votiert in dem Brief – wie Sailer – für die Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente an den AKW- Standorten in Deutschland. Allerdings befürworten die Hamburger die Zwischenlagerung in den Abklingbecken der AKWs, während sich Sailer in der taz für die Errichtung von Trockenlagern auf dem Betriebsgelände ausgesprochen hatte.

Für den Greenpeace-Experten Helmut Hirsch hat die Naßlagerung den Vorteil, daß die Lagerkapazitäten in diesen Becken „sehr begrenzt“ seien. „Trockenlagerschuppen“ auf den Arealen der AKWs könnten dagegen immer neu errichtet werden. Für die Naßlagerung müßten auch nicht die Reaktoren weiterlaufen, wie von Sailer behauptet. Lediglich der Kühlkreislauf mit Not- und Nachkühlung müsse aktiv bleiben. Das sei allemal sicherer „als die Kartoffelscheune Gorleben“, so Hirsch.

In einem offenen Brief an die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg hat Sailers Arbeitgeber, das Öko-Institut, inzwischen versucht, „Zweifel an der Position des Öko-Instituts zur Frage des Widerstandes in Gorleben“ auszuräumen. Geschäftsführer Uwe Ilgemann schreibt, daß die „Mehrheit des Vorstandes und der MitarbeiterInnen des Öko-Instituts“ die gewaltfreien Proteste gegen die Zwischenlagerung in Gorleben „politisch für wichtig“ hält. Die Aktionen wiesen auf die unverantwortbaren Risiken der Entsorgung und der Atomenergienutzung insgesamt hin. Unstrittig sei im Öko-Institut allerdings auch Sailers Argument, daß die Wiederaufarbeitung „ungleich höhere Risiken als die Zwischenlagerung“ berge. Am besten sei natürlich der sofortige Ausstieg.

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