piwik no script img

Das Fürstenhaus Grimaldi läßt sich von heute an feiern. Vor 700 Jahren eroberte Seeräuber Francesco Grimaldi die Burg Monaco. Seither gab die Familie die Macht nicht mehr ab. Doch um die Zukunft des Steuerparadieses ist es bös bestellt. Sei

Das Fürstenhaus Grimaldi läßt sich von heute an feiern. Vor 700 Jahren eroberte Seeräuber Francesco Grimaldi die Burg Monaco. Seither gab die Familie die Macht nicht mehr ab. Doch um die Zukunft des Steuerparadieses ist es bös bestellt. Seit Gracia Patricias tödlicher Fahrt in den Abgrund zerfällt der schöne Schein. Übrig bleiben Fortpflanzungsfragen. Droht Monte Carlo nun das Schicksal Hongkongs?

Requiem für eine Dynastie

Heute beginnen an der Côte d'Azur mit einem „Te Deum“ in der Kathedrale von Monte Carlo die Feiern zum 700jährigen Geburtstag der Dynastie der Grimaldis. Man wird daran erinnern, wie am 8. Januar 1297 Francesco Grimaldi samt einigen Kumpanen in Mönchskutten um Einlaß in die Burg bat. Der Genueser Adlige suchte einen Stützpunkt für seine Seeräubereien. Der ins Meer ragende Felsen sollte sich für diese Zwecke im Laufe der Jahrhunderte als überaus günstig erweisen.

Man wird darüber sinnieren, welches Glück doch das Fürstentum während der letzten anderthalb Jahrhunderte hatte. 1865 Zollunion mit Frankreich, 1869 das Privileg für alle Monegassen, keine Steuern zahlen zu müssen, 1918 ein Schutzvertrag mit Frankreich, das Spielcasino seit 1856, was einer Lizenz zum Gelddrucken gleichkam: Da hatten andere Länder ganz andere Päckchen zu tragen.

1949 schließlich besteigt Rainier III. den Thron. Doch dem Mann, der in der Armee des freien Frankreich gegen die deutschen Besatzer diente, war das rechte Händchen nicht gegeben, die natürlichen Ressourcen seines Landes zu nutzen. Erst eine tüchtige Finanzhilfe des Ölmilliardärs Aristoteles Onassis half dem Grimaldi-Fürsten 1955 aus der Not, sich Frankreich ausliefern zu müssen.

Das war zugleich Auftakt zur spektakulären Renaissance eines Staates, der nichts produziert außer Glanz im Scheinwerferlicht der Regenbogenpresse, und eines Landes, das seinen Bewohnern nichts bietet außer der Gunst, dort kaum Steuern zahlen zu müssen.

Denn nach dem Zweiten Weltkrieg und dem gesellschaftlichen Niedergang des europäischen Hochadels gab es plötzlich keine tonangebende Schicht mehr, die Glamour verbreitete: Da war im Wirtschaftswundereuropa eine echte Marktlücke zu besetzen. Die Terrains der Riviera und der Côte d'Azur gaben den Hintergrund ab für die Klatschillustrierten aller Länder. Jetzt wurde die Figur des Playboy (der den Dandy vom Femininen entschlackte) popularisiert, jetzt wurden Filmstars zu echten Sternen und Objekten der Anbetung von Millionen Hausfrauen und FriseurkundInnen.

Grace Kelly verlieh diesem Ambiente die nötige Güte und die rechte Aura. Ohne sie wäre Monte Carlo längst zur Chiffre für schnöden Mammon verkommen. Gracia Patricia wird bitter vermißt. Der Kummer ist groß über die fehlende Leitfigur und Mutter der Kompanie: Fürst Rainier, lästert man, sei wieder in der gleichen trüb-melancholischen Verfassung wie vor der Heirat mit Grace Kelly. Am liebsten würde sich der 73jährige nur noch der Meereskunde widmen.

Doch in gewissem Sinne ist der Schmerz über den Tod der Prinzipalin nur eine Ausrede. Die Mittelmeerküste zwischen Genua und Nizza ist kaum mehr das Dorado der Reichen und Schönen. Zum Leitbild der Emporkömmlinge wurde spätestens Mitte der achtziger Jahre nicht mehr der lässige Spieler im Casino, sondern der asketisch luxusorientierte und arbeitswütige Yuppie. Doch diese Figur findet sich nicht am Yachthafen Monacos, sondern eher im metropolen New York.

Insofern fuhr die Fürstin mit Sinn für das richtige Timing in den Abgrund. Sie braucht nicht mehr mitzuerleben, daß ihre Töchter von Paparazzi heimgesucht werden, nicht zu erdulden, daß es ihren Nachkommen an Souveränität gebricht, sich dem billigen Glamour zu entziehen.

„Meine Familie ist die beste Publicity“, hat Fürst Rainier einmal klug wissen lassen. Und das bedeutet auch, daß es um das Image der Grimaldis schlecht bestellt ist. Trost finden sie nirgendwo, Einladungen von den besten Höfen des Kontinents kommen keine, denn im strengen Sinne gehören sie ja nicht zum Hochadel. Die Töchter Caroline und Stéphanie – gesellschaftlich gestrauchelt. Und Sohn Albert hat angeblich 143 Adressen von Anbeterinnen im Notizbuch stehen, doch heiraten will er keine. Manche fürchten sogar, daß der 38jährige vom Unaussprechlichen heimgesucht ist: Albert – schwul?

Es kriselt nicht nur personell im Fürstentum: Das Spielcasino schreibt im zweiten Jahr rote Zahlen; Drogenmafia und Geldwäscher fassen dort Fuß; die Hotels klagen über magere Bilanzen. In den Cafés müssen sommers selbst kurzbehoste Campingurlauber aus Italien ertragen werden: Monte Carlo bald fest in Proletenhand? Das nagt am Selbstbewußtsein.

Ungewisse Zukunft: Bleibt Albert ohne Nachkommen, fällt Monaco, so legt der Staatsvertrag mit Frankreich fest, an die Grande Nation zurück. Ein Staat stirbt – die Feierlichkeiten zum 700jährigen Dynastienjubiläum drohen zum Requiem der Saison zu werden. Jan Feddersen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen