: Im Zweifel gegen Lockerungen
Santa Fu leert sich und Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem kippt um: Vorläufige Ausgangssperre für Hamburgs Knackis ■ Von Marco Carini
Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem mausert sich zum Umfaller des Monats. Noch am Mittwoch hatte der parteilose Amtschef verkündet, die Flucht von drei Inhaftierten werde nichts an den Lockerungen im Strafvollzug ändern. Am Donnerstag abend beschloß er dann das genaue Gegenteil.
Nachdem am gleichen Tag erneut ein Häftling nicht von einem bewilligten Ausgang zurückgekehrt war, lautete das neue Credo: Schotten dicht. Sämtliche noch gültigen Entscheidungen über Ausgänge, Beurlaubungen und Ausführungen in Hamburgs Gefängnissen sollen künftig mit „strengem Maßstab“ überprüft werden. Bis zum Abschluß der Prüfungen werden keine Lockerungen mehr gewährt, soweit sie nicht für eine medizinische Versorgung der Gefangenen unumgänglich sind. Bis auf weiteres werden zudem die Leiter der geschlossenen Gefängnisse entmachtet. Nicht mehr sie, sondern das Strafvollzugsamt soll in letzter Instanz über Vollzugslockerungen bei Gefangenen entscheiden, die wegen schwerer Sexual- und Gewaltstraftaten verurteilt wurden oder schon einmal von einem Freigang nicht zurückgekehrt sind.
„Im Zweifel für die Sicherheit und gegen die Lockerung“, lautet seit gestern die Devise des Senators. Daß es, wie Hoffmann-Riem erläuterte, „1996 weniger Lockerungsmißbräuche als je zuvor“ in Hamburg gab, spielt dabei keine Rolle.
„Der Beginn des Jahres“ sei für ihn „nicht besonders glücklich“ verlaufen, räumte der sichtlich angeschlagene Senator gestern denn auch im Hamburger Rathaus ein. Nachdem er am Mittwoch die Nachricht vom vierten verschwundenen Santa-Fu-Insassen erhalten hatte, ließ Hiob den Senator noch mehrfach grüßen: Am Mittwoch nachmittag griff ein Gefangener der JVA Suhrenkamp eine Vollzugsbeamtin von hinten an und verletzte sie schwer am Kopf.
Gestern erfuhr Hoffmann-Riem dann, das ein Santa-Fu Insasse am Donnerstag morgen an Herzversagen gestorben sei. Einer der entflohenen Häftlinge hatte zudem über einen Hamburger Radiosender mit einer „Geiselnahme“ gedroht.
Darüber hinaus hatte das hanseatische Oberlandesgericht die Entlassung von sieben Untersuchungsgefangenen verfügt, die der Hehlerei, des Raubes oder des Kokain-Handels verdächtigt werden. Der Grund für die große Freiheit der sieben: Die Staatsanwaltschaft hatte es innerhalb von sechs Monaten nicht fertiggebracht, das Hauptverfahren gegen die Beschuldigten zu eröffnen.
Für Hoffmann-Riem hängen all diese Vorfälle „strukturell damit zusammen, daß die Justiz an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit arbeitet und ihre Funktionsfähigkeit“ aufgrund der Sparmaßnahmen „gefährdet ist“.
Am Nachmittag ereilte den Justizsenator dann doch noch eine erfreuliche Nachricht: Der ausgerückte Santa-Fu-Insasse Ingo F. kehrte nach Fuhlsbüttel zurück. Freiwillig. Vor vier Tagen war er auf einer Arbeitsamtsvisite mit den Worten „Ich muß mal kurz verschwinden“ entwischt.
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