: Sparsenatorin als Kämpferin
■ Bei den Zehlendorfer Kreisdelegierten landet Finanzsenatorin Fugmann-Heesing einen Punktsieg. Kurz vor dem SPD-Sonderparteitag findet ihre Politik Zustimmung bei der Basis
„Die Politik der Haushaltskonsolidierung ist zum Scheitern verurteilt.“ Der Herausforderer eröffnet das Duell im Zehlendorfer Bürgersaal mit einem Frontalangriff. Der Sparkurs des Senats könne gar nicht funktionieren, sagt der Wissenschaftler Vesper. „Alles andere ist Illusion.“ Die 60 Delegierten des SPD-Kreises Zehlendorf werden nervös. Einige klopfen zustimmend auf ihren Tisch.
Die Frage an diesem Abend wenige Tage vor dem Sonderparteitag der Sozialdemokraten heißt: Kann Dieter Vesper, der Experte für staatliche Finanzpolitik beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, die Zehlendorfer Delegierten überzeugen, daß die ganze Sparerei Humbug ist? Oder gelingt es der Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), mit ihrem Konsolidierungsappell erneut die Reihen der Berliner Sozialdemokratie hinter sich zu schließen?
Der öffentlichkeitserfahrene Vesper kritisiert die Politik der Finanzsenatorin auf der ganzen Linie. Ihre „Sparziele sind viel zu ehrgeizig gesetzt“, wirft er Fugman-Heesing vor. Um die Vergeblichkeit des Unterfangens zu betonen, wählt Vesper die Vergangenheitsform: „Es konnte niemanden überraschen, daß die Konsolidierungspolitik scheitern mußte.“ Der Etatexperte meint damit die Sisyphosarbeit, die beiden Säulen des Haushaltsbuchs in Einklang zu bringen: Berlins Ausgaben bewegen sich jährlich bei rund 42 Milliarden Mark, die Einnahmen aber nur bei 30 Milliarden Mark. Diese 12-Milliarden-Differenz ist das Haushaltsloch, das Annette Fugmann-Heesing gerne zuschütten würde. Und zwar so schnell wie möglich.
Vesper macht Punkte bei den Delegierten, die später ihre Stimmkarten heben werden, indem er Arbeit und Bildung anspricht: Der drastische Stellenabbau von über 20.000 Positionen im öffentlichen Dienst verschärfe die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Und die Halbierung der Studentenzahlen drücke den vielgelobten Wissenschaftsstandort an der Spree auf provinzielles Niveau. Beifall und Raunen. Die Senatorin sitzt gespannt. Sie will kämpfen. Um ihren Kurs. Um die SPD. Um Berlin. Das sind die Schlagworte Fugmanns, die nur kurz den „lieben Genossinnen und Genossen“ zulächelt, um dann loszulegen.
„Wer in dieser katastrophalen Situation den Wagen so weiterfahren läßt, der verspielt die Zukunft der Stadt“, ruft die Frau mit dem Bürstenschnitt in den Bürgersaal und erreicht die GenossInnen. Es brandet Applaus auf, der stärker wird, als Fugmann-Heesing ihren Herausforderer direkt anspricht. Ob er denn meine, fragt sie den Haushaltsexperten, daß man die 12-Milliarden-Lücke durch Kreditaufnahme stopfen solle. Ob er wisse, was das für die Zinsbelastung der Stadt heiße, setzt sie rhetorisch nach. „Wer das will, der soll das so formulieren und politisch auch verantworten.“
Der Beifall gilt mehr der Kämpferin Fugmann als der Zahlendreherin. Anders als sonst richtet sich ihre Rede heute weniger auf den Verstand als den Bauch ihrer ParteifreundInnen. „Wir haben die Aufgabe, dieses Land zu reformieren“, lautet so ein Satz, bei dem mancher Delegierter die mageren 24 Prozent vergißt, die der SPD bei der letzten Wahl beschieden waren. Fugmann setzt auf die bayerische Methode. Sie versucht, eine Identität herzustellen zwischen der SPD und der Stadt. „Wir in Berlin“, sagt sie und meint die SPD, „haben keine Zeit zu verlieren.“
Das gefällt den GenossInnen. Aber sie schenken ihrer neuen Leitfigur trotzdem nur einen Teilsieg, als sie spät abends abstimmen. Die SPD, protokolliert Schriftführer Michael Karnetzki für Zehlendorf nüchtern, „steht zur Konsolidierungspolitik der Senatorin“. Die GenossInnen stimmen überraschend sogar der Reduzierung der Zahl der Bezirke von 23 auf 12 zu. Aber sie lehnen es ab, den Energieversorger Bewag zu verkaufen. Für beides hatte Fugmann geworben. Am Dienstag, beim SPD-Sonderparteitag, wird sie es wieder tun. Christian Füller
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