: Kritik an "Demokratieabbau"
■ Studis und Gewerkschafter gegen Einschränkung der Mitwirkungsrechte in den Hochschulen. Uni-Präsident Meyer stellt Verträge zwischen Unis und Staat in Frage
StudentenvertreterInnen und Gewerkschaften haben sich gestern in scharfer Form gegen Pläne gewandt, die Demokratie in den Universitäten einzuschränken. „Eine probeweise Abschaffung der demokratischen Strukturen in den Hochschulen wird es mit den Gewerkschaften nicht geben“, sagte der zweite Vorsitzende des DGB, Bernd Rissmann, bei einer Anhörung im Wissenschaftsausschuß zum Etatentwurf 1997 und zum Haushaltsstrukturgesetz.
Mit dem Strukturgesetz sollen im Februar 16 Landesgesetze geändert werden. Für das Berliner Hochschulgesetz ist dabei eine „Erprobungsklausel“ vorgesehen, die einzelne Bestimmungen zeitweise außer Kraft setzt. Dazu gehören ausdrücklich jene Normen, in denen demokratische Gremien wie der Fachbereichsrat oder der Akademische Senat festgeschrieben sind. Laut Gesetzestext ist Sinn der Klausel, „neue Modelle der Leitung“ zu erproben und die Entscheidungsprozesse zu vereinfachen. Dies soll vor allem dadurch geschehen, daß die professoralen Leiter der Fachbereiche, die Dekane, mehr Entscheidungskompetenzen erhalten.
Der Student Claus Colloseus sieht in dem Strukturgesetz den Versuch, „aus haushälterischen Gründen die demokratischen Mitwirkungsrechte zu verkaufen“. Colloseus, der für die Konferenz der Berliner Studentenvertretungen sprach, bezeichnete die Erprobungsklausel als „Höhepunkt einer Politik der Entdemokratisierung“. Er sagte: „Das heißt nichts anderes, als daß der Landesregierung der ganze ,Gremienkram‘ zuviel wird.“ Laut Hochschulgesetz haben die vier Gruppen der Universität (StudentInnen, wissenschaftliche und sonstige MitarbeiterInnen sowie Professoren) Mitbestimmungsrechte in den Gremien, etwa den Fachbereichs- oder Institutsräten. Diese können nun zugunsten der Dekane beschnitten werden.
Die Opposition wandte sich mit unterschiedlichem Zungenschlag gegen die Erprobungsklausel. Der PDS-Abgeordnete Benjamin Hoff prangerte einen „drastischen Demokratieabbau“ an. Auch die bündnisgrüne Parlamentarierin Sybille Volkholz war dagegen, „Beteiligungsrechte zu kappen“. Sie beharrte aber darauf, daß eine Erprobungsklausel eingeführt werde. Volkholz sagte, „es sind Spielräume zur Erprobung notwendig“, diese sollten auch genutzt werden. In ungewöhnlich deutlicher Form lehnte der Präsident der Humboldt-Universität, Hans Meyer, die in den Gesetzesänderungen genannten Verträge zwischen Hochschulen und Staat ab. Meyer sagte zu dem Vertragsentwurf, „wenn die Regeln so stehenbleiben, wird ein Vertrag nicht zustande kommen“. Der Kontrakt soll Planungssicherheit bringen, indem er für drei Jahre die Zuschüsse an die Hochschulen fixiert. Weil der Vertrag aber unter einen Haushaltsvorbehalt gestellt werde, kritisierte Meyer, „haben wir überhaupt keine Sicherheit“. Die Verhandlungen zwischen Wissenschaftssenator Radunski und den Hochschulleitungen sollen Ende Januar beginnen. Christian Füller
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