: Anklage gegen Polizeiführer
Der Chef der Bereitschaftspolizei soll wegen Strafvereitelung vor Gericht. Schweigen über polizeiliche Übergriffe auf Ausländer ■ Von Lisa Schönemann
Der frühere Leiter der Polizeidirektion Mitte, Richard Peters, soll wegen Strafvereitelung im Amt vor Gericht gestellt werden. Dies bestätigte der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, gestern gegenüber der taz. Peters, der inzwischen Chef der Bereitschaftspolizei ist, soll von Vorkommnissen in der Revierwache 11 an der Kirchenallee gewußt haben, die später im Untersuchungsausschuß zum Hamburger Polizeiskandal und vor Gericht aufgerollt wurden: Polizeibeamte mißhandelten Ausländer und unterzogen mindestens einen Festgenommen einer Scheinhinrichtung.
„Das Amtsgericht muß jetzt über die Eröffnung des Verfahrens entscheiden“, so Rüdiger Bagger. Die Staatsanwaltschaft hatte Anfang 1996 Ermittlungsverfahren gegen Peters sowie einen weiteren Beamten der Landespolizeidirektion eingeleitet. Richard Peters und sein Kollege Hans-Joachim Dittrich sollen Ende 1993 beziehungsweise Anfang 1994 bereits von ausländerfeindlichen Übergriffen auf St. Georg erfahren haben, ohne entsprechende Schritte einzuleiten.
Peters soll von Dittrich über die rassistischen Tendenzen informiert worden sein. Er soll daraufhin den sogenannten Polizeibeamten und Kronzeugen Uwe Chobrok, der selbst zehn Jahre lang auf der Revierwache 11 tätig war, zu den Vorwürfen gehört haben. Danach konnten sich offenbar weder Peters noch Dittrich zu internen Ermittlungen oder dem Einschalten der Staatsanwaltschaft entschließen. Auch die nächsthöhere Polizeietage erfuhr angeblich nichts von den Übergriffen auf die zumeist farbigen Asylbewerber.
Demgegenüber geht die Staatsanwaltschaft davon aus, daß Peters genug erfahren hatte und bewußt nichts unternahm. „Das Strafmaß bei Strafvereitelung im Amt ist mit sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft bemessen, sofern es sich nicht um einen minderschweren Fall handelt“, erklärte Rüdiger Bagger.
Im Zusammenhang mit den Vorgängen auf der Polizeiwache 11 war im Februar 1996 ein 33jähriger Polizist wegen Körperverletzung im Amt zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Er hatte einen unbekleideten Schwarzafrikaner mit Desinfektionsmittel besprüht. Zwei weitere Beamte waren im Mai 1996 vom Vorwurf der Körperverletzung am Amt freigesprochen worden.
Im September 1994, als erste massive Vorwürfe gegen Polizeibeamte laut wurden, war der damalige Innensenator Werner Hackmann zurückgetreten. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuß der Bürgerschaft hat im November letzten Jahres in seinem Abschlußbericht zum Hamburger Polizeiskandal nicht nur Übergriffe und Mißhandlungen, sondern auch falsche Konzepte kritisiert.
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