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Mißratener Denkanstoß

■ „Haus & Grund“ outet sich in einem Beitrag zur Wehrmachtsausstellung als „Blut und Boden“-Verein

Auch Haus- und Grundbesitzer haben einen Sinn für Geschichte. Welchen, das legt die letzte Ausgabe der monatlich erscheinenden Postille „Haus & Grund“ in Bremen dar. Dort liegen, im Lokalteil auf Seite vier des Blattes, ahnungslose 18jährige, die zum Schutz des Vaterlands im zweiten Weltkrieg bis nach Rußland zogen, in Massengräbern – während „Halunken“ sie heute verhöhnen. Im Reim klingt der „Denkanstoß“, mit dem die Vermietervereinigung Haus- und Grund zur Debatte über die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ beitragen will, so:

„Sie haben ihr Leben und Sterben dem Vaterlande geweiht. Und wußten nicht, welchen Erben – und welcher Erbärmlichkeit.“

Herausgeber Bernd Richter, zugleich Geschäftsführer des Haus- und Grund-Landesverbands Bremen, sieht in der Veröffentlichung des Gedichts keinen Anlaß für Kritik – oder Selbstkritik. Mehr als ein „Denkanstoß“ solle das Gedicht „Heldengedenken“, das zwischen den Themen Wasserzähler, Gelbem Sack und Schneeräumpflicht sein Plätzchen bekommen hat, wirklich nicht sein, beteuert Richter. In seiner harmlosen Absicht fühlt er sich durch die Reaktionen seiner – überwiegend älteren – insgesamt 10.000 köpfigen LeserInnenschaft im Land Bremen bestärkt. Kritik daran, daß die Haus & Grund Postille eine maßlos unkritische Geschichtsklitterei in Form von Kriegslyrik veröffentlicht, sei ihm nicht zu Ohren gekommen. Auch, daß deutsche Soldaten das „Vaterland“ ausgerechnet vor Leningrad „schützten“ scheint ihn nicht zu beirren. Allerdings – von ihm selbst stamme lediglich die Einleitung, die auf geplante Bürgergespräche hinweist, die die geplante Wehrmachtsausstellung im Mai in der unteren Rathaushalle vorbereiten sollen, äußert sich Richter vorsichtig. Ganz persönlich finde er übrigens, daß die Debatte um die Wehrmachtsausstellung bremenweit „viel zu hoch angesiedelt“ sei. Wohl auch deshalb ist Richter auf die Initiative des langjährigen Vorstandsmitglied des Bremer Haus-und Grund-Stadtvereins Arnold Wagschal eingegangen, der das Gedicht einreichte.

Allerdings: Auch Wagschal, Jahrgang 1924, im Telefonbuch noch unter Bezirksschornsteinfeger eingetragen, weiß nicht, wer der – in Archiven nicht verzeichnete – Paul Reuthe ist, der das Traktat auf zweifelhafte Helden verfaßte. Der als Flieger erst 1944 eingezogene Wehrmachtssoldat Wagschal hat das Gedicht von „einem Kameraden“ bekommen – und weiß hauptsächlich eins: „Wir sind guten Glaubens in den Krieg gezogen. Wir wollten doch keine Verbrechen begehen. Aber es waren andere Zeiten.“ Von Konzentrationslagern habe er nichts gewußt.

Auf diese Äußerungen und auf die Veröffentlichung des Gedichts reagiert Bernd Möllers, der das katholische Bildungswerk im Vorstand des Vereins „Erinnern für die Zukunft“ vertritt, fast schon mit Resignation: Während die „Bürgerforen“, wo BremerInnen sich persönlich mit der Geschichte auseinandersetzen können, kaum Resonanz finden, würden Suggestionen vom heldenhaften Verteidigungskrieg quasi anonym veröffentlicht. „Das ist kein Denkanstoß. Sowas behauptet selbst im rechten Lager niemand mehr.“

Auch die Bremer Journalistin Carla Müller-Tupath, zugleich Mitglied der jüdischen Gemeinde, reagiert bitter: „Solche obszönen Veröffentlichungen sind eine treffende Statusbeschreibung unserer Gesellschaft. Wenn Haus und Grund das für einen Denkanstoß hält, sollten sie sich ehrlicherweise Blut und Boden nennen.“ ede

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