piwik no script img

Traum vom Glück

■ Sie gilt immer noch als schönster Tag des Lebens: Die Hochzeit, ein märchenhaftes Geschäft Von Jörg Walser

Gibt es noch Herausforderungen im Leben? Situationen, in denen der gelangweilte Wohlstandsmensch so richtig zeigen kann, was in ihm steckt?

Es gibt sie noch: die Hochzeit. Denn was der „schönste Tag im Leben“ werden soll, erfordert Planung, Planung, Planung. Spezialisten empfehlen eine ausführliche Vorbereitung – und die habe, bitte schön, nicht zu spät anzufangen: Vier Monate vorher sollte der Countdown zum großen Ereignis starten, empfiehlt beispielsweise das Fachblatt „Hochzeitsplaner“.

Den Bund fürs Leben zu schließen ist ein Wagnis in heutigen Zeiten, wirft es doch bedrängende Fragen auf. Da wäre allein schon das Problem des Brautkleids: leuchtend weiß oder champagnerfarben? Mit Perlen oder Stickereien? Aus Seide oder Satin? Die ganze Organisiererei: sitzt Tante Hildrun neben Trauzeuge Helmut oder Bruder Heribert? Und was ist mit Freund Emil? Nicht zu vergessen die Hochzeitsreise, so eine schwierige Entscheidung: Venedig? Bali? Oder doch lieber die Dominikanische Republik?

Glücklicherweise gibt es Unterstützung. Zum Beispiel von einem Hochzeitsservice. Der verwirklicht jeden Traum – alles kein Problem, wenn nur das nötige Kleingeld fließt.

Und es fließt, das Geld. Zwischen 15.000 und 40.000 Mark ließen sich ihre Kunden die Hoch-zeitsfeierlichkeiten kosten, sagt Isabel Reymann vom Hochzeitsservice „Gala Traumhochzeiten“. Klaus Holst, der jedes Jahr zwischen 70 und 100 Hochzeiten in seinem gleichnamigen Hotel ausrichtet, hat eine Erklärung dafür, warum Menschen den Wert eines Kleinwagens in einen einzigen Tag investieren: „Die Leute können vor anderen glänzen. Hier kann man zeigen, daß man Geld hat.“

Sie haben das Geld, und sie geben es auch aus. Zum Beispiel bei Renate Horn vom Brautmodengeschäft Eleganzia. „Echte Traumkleider“ hat sie im Angebot, voller Perlen und Stickereien. Sie kosten um die 3.000 Mark. Bloß für einen Tag? Nun ja, und wenn schon: „Die Mädchen wollen eben alle die Schönste sein.“

Da scheint es auch egal zu sein, wenn es wirtschaftlich gerade nicht so gut läuft. Rezession? War da was? „Nein“, sagt Manfred Peters von der Firma Oldtimer Company, „das spüren wir nicht, im Gegenteil. Am glücklichsten Tag im Leben schauen die Leute nicht auf die Mark.“

Die Hochzeitsbranche floriert also. Regelmäßig finden spezielle Messen statt, wie vor wenigen Tagen die „4. Hamburger Hochzeitstage“ in der Messehalle Schnelsen. Da führen Modehändler, Juweliere oder Gastronome vor, wie „gelingt, wovon Sie träumen.“ Das Schönste für die Branche: Immer mehr Paare erleben gleich mehrere glücklichste Tage im Leben. Fast jeder Vierte, der den Bund fürs Leben schließt, tut das nicht zum erstenmal.

Beim Heiraten, so scheint es, werden Wünsche wach, die einer anderen Welt entstammen. „Gerade die Frauen haben den Traum, einmal Prinzessin zu sein“, sagt Isabel Reymann vom Heiratsservice. Die Hochzeit im Schloß käme immer mehr in Mode und auch Kutschen seien sehr gefragt. Der Traum vom Glück, er orientiert sich eben am Märchen – auch heute noch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen