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Königsweg starker Staat?

■ Bürgerschaft diskutiert Justizkrise: „Nur ein gerechter ist ein starker Staat“

Schwache Worte für einen starken Staat. CDU-Bürgermeisterkandidat Ole von Beust sprach gestern höchstselbst zu einem Thema, das ihm eigentlich gar nicht liegt: Die Justizkrise und der übliche CDU-Schrei nach dem starken Staat. „Ein Skandal" sei es, daß innerhalb einer Woche Anfang dieses Jahres vier Häftlinge abhanden kamen. Geradezu erschütternd, daß sieben U-Häftlinge entlassen wurden, weil nach sechs (!) Monaten noch immer keine Anklage vorlag.

„Ein starker Staat, Herr von Beust, ist ein gerechter Staat“, gab Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) zurück. „Die Gesellschaft schiebt immer mehr ungelöste Probleme – die Produkte unbewältigter Krisen – in den Strafvollzug ab.“ Trotz der jetzigen „gehäuften Einzelfälle“ gehe die Zahl der Mißbräuche von Haftlockerungen deutlich zurück. Insgesamt seien es lediglich 0,75 Prozent. Doch wer „so leichtfertig ist, Justizsenator in Hamburg zu werden, muß täglich damit rechnen, daß die Realität des Strafvollzugs all seine Bemühungen überholt, sie zu verbessern.“

Auch die SPD unterstützt den von der Statt Partei in den Senat entsandten Hoffmann-Riem darin, von seinem Kurs des liberalen Strafvollzugs nicht abzuweichen. Nicht nur seien Haftlockerungen gesetzlich vorgeschrieben, so Dorothee Stapelfeldt (SPD), sondern die Vorbereitung auf die Entlassung diene darüber hinaus der öffentlichen Sicherheit.

Die „Dämonisierung von Strafgefangenen“ sei unerträglich, kritisierte GALier Manfred Mahr die CDU. Aufgrund der jüngsten Vorfälle, so sei ihm berichtet worden, würden nun Knackis aufgrund von bloßen Gerüchten über möglichen Mißbrauch die Haftlockerungen gestrichen. Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape ermahnte den GAL-Abgeordneten daraufhin, das „diskriminierende“ Wort „Knacki“ habe im parlamentarischen Sprachgebrauch nichts zu suchen . „Das ist die Eigenbezeichnung!“, wunderte sich Mahr über die Realitätsnähe der Bürgerschaft. Silke Mertins

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