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"Bin ich jung oder alt?"

■ Michael Steinbrecher über die Unlust, Sprachrohr der Jugend zu sein, den Unterschied zwischen Telestar und Grimme-Preis und das Image von Helmut Kohl

An Michael Steinbrecher (31) scheiden sich die Geister, ist er doch ein recht seltener Fall im Sportjournalismus. Nicht nur auf Grund seiner langen Locken. Anstatt bloß abzufragen, entlockt er im „Aktuellen Sportstudio“ selbst ausgewiesenen Spontanitätsverweigerern wie dem Fußballspieler Jürgen Klinsmann Neuigkeiten, oder aber er flirtet so unerträglich mit Katarina Witt, daß man das Äußerste befürchten muß. Auch sonst verhält sich Steinbrecher für einen Sportmoderator recht ungewöhnlich: Er hört nämlich zu.

Von heute an will der ehemalige Moderator der Jugendsendung „Doppelpunkt“ mit seinen Qualitäten als Filmemacher und Interviewer auch Nichtsportlern zu Leibe rücken. Immer donnerstags zeigt das ZDF sechs Filme, die Michael Steinbrecher über prominente Schauspieler gedreht hat.

taz: Sie haben den Grimme-Preis und den Telestar bekommen. Welcher ist Ihnen lieber?

Michael Steinbrecher: Der Grimme-Preis, weil er sich auf „Mein Sohn ist schwul“ bezog. Eine „Doppelpunkt“-Sendung, die zumindest 1988 ein Tabuthema ansprach. Den Telestar gab es für die Moderation vom „Sportstudio“.

Lag Ihnen das Thema Homosexualität besonders am Herzen?

Mit solchen Themen habe ich mich immer wieder auseinandergesetzt und im letzten Jahr noch mit Markus Commercon zusammengearbeitet, der als Aidskranker in die Öffentlichkeit gegangen ist und damit sicherlich viel bewegt hat.

Steht hinter Ihrer neuen Sendereihe ein ähnlich hoher Anspruch?

Das Tolle am Journalismus ist, daß einem die unterschiedlichsten Türen geöffnet werden. Warum sollte ich da prominente Türen ausschließen? Man muß mit diesem Privileg nur sorgfältig umgehen. Ich nehme mir die Zeit, die ich brauche, um nicht irgendeine oberflächliche Geschichte abzuliefern.

Warum mußten es denn ausgerechnet die üblichen prominenten Verdächtigen sein?

Mich interessiert, wie authentisch Leute sein können, die eigentlich immer nur eine Rolle spielen. Ich glaube, daß hinter diesen Prominenten und den Lebenswelten, die man üblicherweise mit ihnen verbindet, ganz andere Menschen stecken.

Würden Sie auch erfahren wollen, wie authentisch Bundeskanzler Kohl sein kann?

Ich will nicht ausschließen, daß es Leute gibt, bei denen selbst der beste Wille nicht ausreicht, Ihnen als Person näher zu kommen. Es gehört ja eine gewisse Bereitschaft dazu, damit man das Image über einen gewissen Punkt hinaus vergessen machen kann. Ich bin mir nicht sicher, ob daß bei Helmut Kohl zu schaffen wäre.

Mit dieser neuen Reihe sind Sie nun endgültig zum Promi-Präsentator geworden. Im „Sportstudio“ sind's die Medaillenmacher, nun die Filmstars.

Ich sehe es nicht als Lebensaufgabe an, über Hollywood-Stars zu berichten. Idealerweise hat diese Sendereihe aber noch ganz andere Möglichkeiten. Wir haben jetzt sechs Schauspieler gemacht. Es können aber auch sechs Sportler sein, vielleicht auch mal sechs Unbekannte.

Sie sind innerhalb des ZDF schnell aufgestiegen. Nun haben Sie mit 31 Jahren sogar Ihre eigene Sendereihe. Sind Sie der Generationswechsel?

Wozu denn Schubladen aufziehen? Daß alles im Fernsehen jung sein muß, ist keine gute Entwicklung. Was bin ich denn: jung oder alt? Mich interessiert Anthony Quinn absolut, Gina Lollobrigida.

Anthony Quinn sagt in Ihrem Film, Sie hätten eine „alte Seele“...

Ich will nicht das Sprachrohr für junge Leute sein. Deshalb habe ich auch mit 26 die „Doppelpunkt“- Moderation aufgegeben.

Wegen Erreichens der Altersgrenze?

Nein, sondern weil ich mir überlegt habe: Wenn du zum drittenmal über die erste Liebe geredet hast, und die liegt bei dir selber schon einige Zeit zurück, wirst du leicht unglaubwürdig.

Hat es Sie auch genervt, daß in den Girlie-Shows mittlerweile auf allen Kanälen über Liebe und Sex geredet wird?

Es sind viele Tabus gefallen. „Doppelpunkt“ hat da früher noch für Riesenschlagzeilen gesorgt. Als wir mal gezeigt haben, wie man ein Kondom überzieht, hat es Proteste gehagelt. Die Tabus, die wir thematisiert haben – Prostitution etwa, Aids oder Homosexualität – sind Themen, über die es heute leichter fällt zu reden. Interview: Ulla Küspert

„Steinbrecher & ...“ James Belushi, heute 22.15 Uhr. Die nächsten Donnerstage mit Anthony Quinn, Iris Berben, Jane Fonda und Gina Lollobrigida.

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