: Nicht Gott, aber die HEW
Aufmerksame taz-Leser werden es nicht überlesen haben: Am Montag wiesen wir auf der Kulturseite auf die metaphysische Implikation des bettenwerbenden Plakates am Michel hin, das mit „HEW, Energie – Konzept – Zukunft“ unterschrieben war und baten Gott oder den Pressesprecher der HEW sich zu ihrer neuen Zusammenarbeit zu äußern. Letzterer hat es getan. Wir dokumentieren seine Antwort im Wortlaut.
Liebe Hamburger TAZ,
gerne melden wir uns auf Ihren Artikel vom 13.03.1995 mit der Überschrift „Gott und die liebe HEW“ – sogar auf die Gefahr, daß Gott uns zuvor gekommen sein sollte. Sie haben schon recht: Hier in Hamburg ist etwas ganz Ungewöhnliches geschehen. Ein Kirchturm läßt sich für Werbezwecke „mißbrauchen“: Einmal für schnöde Bettenwerbung und, was viel schlimmer ist, für die HEW.
Unsere Gottesfurcht in Ehren: Zu einer direkten Zusammenarbeit unseres Hauses mit Gott ist es nicht gekommen. Leider! Denn dann hätten wir mit der Allmacht Gottes viel bewegen können, zum Wohle von Mensch und Umwelt in unserer Stadt. Unser Auftrag, Strom und Wärme, ökologisch und ökonomisch optimiert, bereitzustellen, wäre mit Gottes Hilfe so schnell passiert, daß alle, die sich so etwas gewünscht hätten, von einem Wunder gesprochen hätten.
Ohne Gottes direktes Eingreifen gilt leider der Erfahrungssatz „Gottes Mühlen mahlen langsam“ – auch die Mühlen, die mit der Energieproduktion zu tun haben. Deshalb haben wir in der realistischen Beurteilung dessen, was möglich ist, uns auf unser „Energiekonzept Zukunft“ konzentriert.
Danach wollen wir eine Brücke zwischen der gegenwärtigen, verbesserungsbedürftigen und der zukünftigen, also umweltverträglicheren Energieversorgung schlagen, damit vieles von dem, wovon viele heute träumen, Wirklichkeit werden kann, auch vom Ausstieg aus dem Atomstrom.
Wenn Sie, liebe TAZler, unter „2.“ in Ihrem Artikel realistischerweise die göttliche Energie so beurteilen, wie man sie auch heute unter Energiefachleuten einzuordnen hätte, dann hätten wir es bis zum Wirklichkeitwerden des „Energiekonzeptes Zukunft“ geschafft, ohne Atomstrom auszukommen. Aber warum sollte sich Gott von den Netzen des Atomstroms fangen lassen? Das hat er doch gar nicht nötig. Es steht in seiner Macht, alles zu tun und alles zu lassen. Er hat die Kraft, jedes Wunder zu bewirken. Und wenn er es zuläßt, daß an seinem Kirchturm für das „Energiekonzept Zukunft“ geworben werden darf, dann liegt das möglicherweise an der Weisheit Gottes.
Eine glückliche Fügung (sollte es Gott wieder gewesen sein?) hat dafür gesorgt, daß wir miteinander Kontakt aufgenommen haben, elektrischen versteht sich. Und ein elektrisch betriebener Computer hat mitgewirkt, daß die Gedanken des Pressesprechers der HEW zu Papier gebracht werden können.
Auf Antwort freut sich
Ihr Robert Schulte
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