: Das Rädchen rollt weiter
Die Stromfresser im Haushalt lassen den Zähler nicht mehr stillstehen. Doch deren Verbannung wirft Probleme auf: Die Geräte sind Giftmüllager ■ Von Matthias Fink
Warum lohnt sich der Kauf eines neuen Fernsehers? Natürlich wegen der vielen neuen Programme. Schließlich aber kann der Abschied von der alten Glotze auch das Öko-Gewissen erleichtern. Der Energieverbrauch eines handelsüblichen TV-Gerätes lag früher bei 500 Watt, heute sind es oftmals unter 50 Watt. Und wer wirklich sparsam sein will, schaltet das Gerät nicht stundenlang auf Stand-by-Betrieb. Da zieht es nämlich immer noch mindestens 1 Watt. Dieses Wissen sei bei den ZuschauerInnen „nicht weit verbreitet“, weiß Petra Czechlaba von der Umweltberatung der Berliner Verbraucherzentrale. „Viele denken gar nicht, daß da doch eine Menge zusammenkommt.“
Auch andere Geräte verbrauchen Strom, sobald sie nur betriebsbereit sind. Beim Anrufbeantworter kann das sinnvoll sein, bei der Stereoanlage ist dieser Wattfraß sehr fraglich.
Selbst bei eher simplen Investitionen lohnt das Rechnen. Eine Energiesparleuchte für rund 30 Mark hat eine bis zu fünfmal höhere Lichtausbeute als die altmodische Schwester. Mit 15 Watt wird die neue, wunderlich aussehende „Kompaktleuchtstofflampe“ schon so hell wie eine Glühbirne, die 75 Watt frißt.
Bei größeren Haushaltsgeräten, im Branchenjargon „weiße Ware“ genannt, diskutiert die Fachwelt schon so lange über sparsamen Verbrauch, daß es inzwischen ein System mit Kennzeichnungen gibt. Bei Kühlschränken und Waschmaschinen hilft jetzt ein Blick auf den Europa-genormten „Energie-Label“. Zahlen und eine anheimelnd bunte Grafik vermitteln dem Verbraucher, in welche der „Energie- Effizienzklassen A bis G“ der Stromverbrauch fällt.
Wer wissen möchte, wie sein vorhandenes Gerät beim Verbrauch abschneidet, muß etwas genauer hingucken. Die Stiftung Warentest empfiehlt (test-Heft Januar 1996), den Stand des Stromzählers zu verfolgen, möglichst dann, wenn im Haushalt sonst nichts läuft. Wenn sich das Rädchen ziemlich schnell dreht, braucht man aber nicht immer auf ein neues Gerät zu warten. Vielleicht bringt es schon etwas, den Kühlschrank vom Herd abzurücken. Oder sollte man doch mal die dicke Eisschicht abtauen?
Wenn dann doch ein neues Gerät angeschafft wird, ist die Umweltbelastung durch das alte noch nicht zu Ende. Radiogeräte oder Lockenstäbe im Hausmüll sind nicht nur deshalb ärgerlich, weil die Mülltonne überquillt und die Hausverwaltung die Betriebskosten erhöht. Viele Elektrogeräte enthalten Schwermetalle, Quecksilber oder giftige Öle. Die Berliner Stadtreinigung (BSR) wird solche Geräte nicht aus dem Hausmüll herausfiltern, berichtet Pressesprecherin Sabine Thümler. Der Weg, den sie dann nehmen, sei „auf jeden Fall nicht umweltgerecht.“
Nicht immer geschieht das aus bösem Willen. „Bewußtsein und Geld widersprechen sich manchmal“, meint Petra Czechlaba von der Verbraucherzentrale. Aber auch wer die Geräte nachts einfach auf die Straße stellt, wird letztlich doch zur Kasse gebeten. Die BSR holt sich die Kosten bei der nächsten Gebührenerhöhung wieder – von der Solidargemeinschaft der Müll-VerursacherInnen.
Korrekt ist es, die elektrischen und elektronischen Geräte zur Entsorgung abzugeben oder abholen zu lassen. Die BSR nimmt dafür Geld, genauso wie die privaten Wettbewerber. Nur Kleingeräte können auf den BSR-Recyclinghöfen gratis abgegeben werden. Für alte Fernseher oder Computer sind 25 Mark fällig, für Kühlschränke 35 Mark. Wer dort hinkommt, wird bisweilen von „Passanten“ am Tor angesprochen. Ob man nicht ihnen das Gerät kostenlos überlassen möchte? Thümler weiß, daß diese Geräte meist ins Ausland verbracht werden, wo ein Markt für alte Teile besteht. Korrekt entsorgt würden die schadstoffhaltigen Reste dort „bestimmt nicht“.
„Pro Haushalt gibt es im Jahr ungefähr 30 Kilo Elektronikschrott“, weiß Thümler. Recyceln kann man davon schon sehr vieles, vor allem wenn sich die Geräte gut zerlegen lassen. Die Hälfte des Elektronikschrotts bilden immerhin Metalle. Auch Kunststoffe lassen sich einschmelzen. Und das Glas aus Bildröhren kann man etwa, wenn die giftigen Leuchtstoffe entfernt sind, in Keramikfliesen weiterverwenden oder beim Straßenbau.
Mehr Recycling und kostenlose Rücknahme sollen gesetzlich gefördert werden, und das dauert. Schon 1991 legte das Bundesumweltministerium einen Referentenentwurf für eine „Elektronikschrott-Verordnung“ vor. Danach waren kostenlose Rückgabemöglichkeiten für elektrische und elektronische Geräte vorgesehen, vom Computer bis zum Mixer. Letztlich sollen nach dem Prinzip der „Produktverantwortung“ die Hersteller ihre ausgedienten Waren zurückerhalten und die Entsorgungskosten tragen. Um die Produkte günstig anbieten zu können, würden sie, so die Kalkulation aus dem Bundesumweltministerium, sich um möglichst gute Recyclingmöglichkeiten bemühen. Der ärgerliche Weg zum Kassenhäuschen des Recyclinghofes würde der Vergangenheit angehören. „Solange die Verordnung nicht da ist, müssen wir und alle anderen Entsorgungsbetriebe die Kosten auf den Kunden umlegen“, erklärt Sabine Thümler von der BSR.
Das kann noch eine Weile so weitergehen. „Es ist noch kein Kabinettstermin in Sicht“, erzählt Siegfried Breier, Pressesprecher des Bundesumweltministeriums. Und die zur Zeit geplante Version ist schon erheblich abgeschwächt. „Nur noch Geräte der Informations- und Kommunikationstechnologie werden erfaßt“, so Breier. Immerhin könne aber ein funktionierendes Modell daraus entstehen, das dann auf andere Bereiche ausgedehnt werden könne.
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