: Klinik Sebaldsbrück stirbt zur Hälfte
■ Wird das Suchtangebot in Heines-Klinik verlagert? ZKH-Ost-Chef will dezentrale Psychiatrie
Das Haupthaus der Klinik Sebaldsbrück „für Psychiatrie und Psychotherapie“ im Bremer Osten wird über kurz oder lang geschlossen. Darin sind sich Gesundheitsbehörde, Krankenkassen und Dr. Peter Kruckenberg, der ärztliche Direktor des Zentralkrankenhauses (ZKH) Ost, weitgehend einig. Sebaldsbrück steht neben der Paracelsus-Klinik als zweites Krankenhaus auf der Bettenabbau-Abschußliste des Bremer Landeskrankenhausplans. Das Haupthaus in Sebaldsbrück soll jedoch auch im Sinne der (1970 beschlossenen) Psychiatriereform als Repräsentant für die zentrale psychiatrische Versorgung verschwinden.
Strittig ist allerdings, wer die Sebaldsbrücker Leistungen übernehmen soll. In Sebaldsbrück – einer Unterabteilung der Psychiatrie vom ZKH-Ost mit 180 Betten – werden PatientInnen mit Alkohol- und Medikamentensucht, mit pathologischem Glücksspielverhalten und Eßstörungen sowie Drogenabhängige voll- und teilstationär behandelt. Nur dort kann in Bremen warm (mit Methadon-Programm) entzogen werden, was Selbsthilfegruppen begrüßen. „Sebaldsbrück ist beliebt“, wird bestätigt. Entsprechend lang ist jedoch die Warteliste für eine Entgiftung, was wiederum Soforthilfe so gut wie nivelliert.
Gesundheitsbehörde und Krankenkassen diskutieren unterdessen, ob die Sebaldsbrücker Suchtangebote in die nahegelegene psychotherapeutische Privatklinik Dr. Heines (Träger ist das Christliche Sozialwerk) verlagert werden können. Auch Heines soll es laut Landeskrankenhausplan an den Kragen gehen – die Zahl der dort öffentlich geförderten Betten wurde '96 von 115 auf 65 reduziert. Die Klinik müsse sich mittelfristig entweder auf die Aufgabe ihres Betriebes oder neue Aufgaben einlassen, hieß es. Ein erweitertes Suchthilfe-Konzept inklusive Kostenaufstellung wurde allerdings von Heines noch nicht vorgelegt.
An diesem Punkt regt sich beim ärztlichen Direktor vom ZKH-Ost selbstredend Widerstand: „Wir machen Grundversorgung in Sebaldsbrück, Heines ist darauf nicht eingerichtet, dort findet die psychiatrische Kür statt“, so Peter Kruckenberg. Die Heines-Klinik hat sich in der Tat auf einige therapeutische Behandlungsformen spezialisiert (es gibt dort etwa eine Station für sexuell mißbrauchte Frauen); weniger als ein Drittel der Heines-PatientInnen kommen aus Bremen.
ZKH-Ost-Chef Kruckenberg hat allerdings in der Debatte sein Regionalisierungskonzept im Hinterkopf: Er will weg vom eigenen Psychiatrie-Großkrankenhaus und macht sich seit Jahren für die dezentrale Versorgung psychisch Kranker stark. Die rund 100 MitarbeiterInnen in Sebaldsbrück sollen also nicht freigesetzt werden – „das würde viele Millionen kosten.“ Vielmehr könnten Kruckenberg zufolge in den verbleibenden Flachbauten Drogenstationen eingerichtet und ein psychiatrisches Krisenhaus sowie eine Tagesklinik für die Bezirke Bremen-Süd und -Ost untergebracht werden. „Unser Angebot an die Krankenkassen: Ihr gebt uns für fünf Jahre unser Budget, und wir strukturieren das kostenneutral um.“
In den Augen der „Initiative zur sozialen Rehabilitation und Vorbeugung psychischer Erkrankungen e.V.“ sind das in Sachen Psychiatriereform alles halbherzige Lösungen. „Kruckenberg löst sich nicht vom Krankenhaus“, bemängelt Sozialarbeiter Jörg Utschakowski. „Wir hingegen sagen, starke Ambulanzen mit Krisenbetten reichen aus. Was Kruckenberg verfolgt, ist nur die Verlagerung von Betten in die Region. Um eine andere Qualität von Diensten geht es gar nicht.“
Die „Initiative“ – die vor fünfzehn Jahren die ersten PsychiatriepatientInnen aus der Langzeitklinik „Kloster Blankenburg“ herausholte und in betreuten Wohngemeinschaften unterbrachte – hat ein eigenes Konzept zur regionalen psychiatrischen Versorgung für den Bremer Westen entwickelt. Sozialpsychiatrischer Dienst und das Amt für Soziale Dienste unterstützen dieses.
Unterdessen pokert ZKH-Chef Peter Kruckenberg mit Sebaldsbrück um die Umsetzung seiner Regionalisierungs-Idee. Krankenkassen und Gesundheitsbehörde scheinen angebissen zu haben, auch sie verwenden den Begriff und versprechen sich eine Verbesserung respektive Rationalisierung. Kruckenberg hat außerdem das ZKH-Ost in ein Bundesforschungsprogramm bugsiert, das den Abbau vollstationärer Kapazitäten in Kassel, Ingolstadt (dem Wahlbezirk von Bundesgesundheitsminister Seehofer) und Bremen wissenschaftlich begleitet. „Aber glauben Sie nicht, daß hier im Krankenhaus alle begeistert sind.“ Eine Stellungnahme der Heines-Klinik war nicht zu bekommen. sip
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