: Fujimori-Blase ist am Platzen
Der vielgelobte Wirtschaftsaufschwung in Peru steht auf tönernen Füßen. Das Geld aus den Privatisierungen des Staatsbesitzes ist eingefroren ■ Aus Lima Knut Henkel
Drei Jahre lang hatte Peru mit hohen Wachstumsquoten von sich reden machen können. Zwischen 6,5 und 12,9 Prozent war die Wirtschaft zwischen 1993 und 1995 gewachsen. Stolz präsentierte Präsident Alberto Fujimori sein Land bereits als lateinamerikanischen Puma. Doch wie sich im vergangenen Jahr zeigte, ist es noch nicht so weit her mit der peruanischen Herrlichkeit. Nur auf zwei Prozent soll sich die Wachstumsquote dem Wall Street Journal zufolge im vergangenen Jahr belaufen haben, und auch die ausländischen Investoren hielten sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu den Vorjahren vornehm zurück. Während 1995 noch über eine Milliarde an ausländischen Direktinvestitionen nach Peru flossen, waren es im vergangenen Jahr nur rund 200 Millionen US-Dollar. Auch bei den Investitionsverpflichtungen im Anschluß an Privatisierungen konnte die Regierung nur 100 Millionen US-Dollar heraushandeln. 1994 war es immerhin das Doppelte, 1993 gar das Zwanzigfache.
Ein Grund für Präsident Alberto Fujimori, sich auf Reisen zu begeben und sichtlich stolz die glänzenden Investitionsbedingungen für Auslandskapital, die Peru in den letzten Jahren unter seiner Ägide geschaffen habe, zu präsentieren. Der Terrorismus sei besiegt, und die Wirtschaft erhole sich zusehends. Die begonnene Privatisierung der peruanischen Staatsunternehmen würde im Erdöl- und Telekommunikationssektor fortgesetzt. Diese Sektoren seien ähnlich wie der boomende Tourismus auch für deutsche Unternehmen interessant, so Fujimori auf einer Veranstaltung am 9. Oktober 1996 in der Hamburger Handelskammer.
Doch wenn auch die letzten zehn der ehemals 183 peruanischen Staatsbetriebe verkauft sind, obwohl die Opposition dagegen 1,2 Millionen Unterschriften sammelte, kann die Regierung nicht mehr mit Milliardeneinnahmen durch Privatisierung rechnen.
Allem Anschein nach haben sich auch Zweifel unter Unternehmern breitgemacht, ob das Land hinreichend stabil sei, um dort zu investieren. Nach dem spektakulären „Tequila-Crash“ im Frühjahr 1995 in Mexiko fürchten potentielle Investoren, daß Peru ein ähnliches Schicksal erleiden könnte, zumal IWF und Weltbank bereits 1995 vor einer Überhitzung der Wirtschaft warnten. Auch Anfang 1996 erhielt Lima ein weiteres Warnsignal vom IWF, der die Stabilität angesichts eines hohen Handelsbilanzdefizits und steigender Inflation gefährdet sah.
Während 1993 die Exporte mit den Importen noch leidlich Schritt halten konnten, wies die Handelsbilanz 1994 ein Defizit von einer Milliarde US-Dollar auf. Im folgenden Jahr belief sich das Defizit bereits auf 2,1 Milliarden US-Dollar. Die Regierung Fujimori machte allerdings keine Anstrengungen, mittels der Förderung der Exporte und der Importsubstitution gegenzusteuern, obwohl das Geld für derartige Maßnahmen durchaus vorhanden war.
Von den Privatisierungseinnahmen, etwa sechs Milliarden bis 1995, wurde das Gros nicht in den Wirtschaftsaufschwung oder zur Verbesserung der Lebensbedingungen der ärmsten Bevölkerungsschichten investiert, sondern auf den Konten der Nationalbank eingefroren. Auf über acht Milliarden US-Dollar beliefen sich die Währungsreserven der Regierung Fujimori Ende 1996 laut Nationalbank. Das ist das Vierfache dessen, was IWF und Weltbank von ihren Gläubigern normalerweise fordern: die Deckung der Importausgaben für drei Monate.
Von der von Fujimori prognostizierten Gesundung der peruanischen Wirtschaft kann somit beileibe noch nicht die Rede sein. Und auch das internationale Investitionsinteresse wird angesichts der Geiselnahme in der japanischen Botschaft durch ein Kommando der Túpac Amaru nicht in die Höhe schnellen, denn ausländische Unternehmer zweifeln nun wieder an ihrer persönlichen Sicherheit im Andenstaat.
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