: Bürgeranträge gegen Schulmisere
■ Eltern liefern 120.000 Unterschriften in der Bürgerschaft ab
Stefan will endlich eine neue Klassenlehrerin haben. Deshalb hält er sein Protestschild fest in der Hand, während Eltern einen Stapel mit Unterschriften ins Bürgerschaftsgebäude tragen. Satte 120.000 Unterschriften drückten sie Bürgerschaftspräsident Reinhard Metz gestern in die Hand – dazu mußte der Parlamentspförtner sogar eine Sackkarre beschaffen. Der Zentralelternbeirat (ZEB) schob damit drei Bürgeranträge für bessere Bildung an und verteilte Schul-Patenbriefe an Bürgerschaftsabgeordnete. Es ist nicht die erste mächtige Unterschriftenaktion der ZEB.
Probleme wie Mäuse im Klassenzimmer, undichte Fenster und fehlende KlassenlehrerInnen sollen nämlich endlich ein Ende haben, fordert der ZEB. Das wollten die Eltern eigentlich schon mit ihrem „Volksbegehren Bildung“ erreichen. Doch der Senat lehnte die drei Gesetzesinitiativen zur Unterrichtsversorgung, zu Schulräumen und Lernmittelfreiheit wegen haushaltsrechtlicher Bedenken ab. Jetzt prüft der Staatsgerichtshof seit vier Monaten die Zulässigkeit zu einem Volksentscheid.
Bitterböse hieb der ZEB damals auf die Stadtoberen ein: Der Senat drücke sich mit formaljuristischen Gründen vor einer politischen Debatte. Die will man jetzt per Bürgerantrag im Parlament erreichen – nebst offizieller Beschlußfassung. Doch Bürgerschaftspräsident Metz dämpfte gestern solche Erwartungen: „Ergebnisse lassen wir uns eigentlich nicht vorschreiben“.
Damit dürfte Metz vielleicht Recht haben: Schließlich lehnte die Bürgerschaft in dieser Woche den ersten Bürgerantrag in der bremischen Geschichte zum Thema Bremische und Gewoba ab. „Wir haben die Anträge aber lascher formuliert als das Volksbegehren“, sagt Joachim Ohm vom Zentralelternbeirat.
Der Bürgerschaftspräsident machte jedoch sofort klar: „Wenn Haushalts- oder Personalfragen auf uns zukommen, müssen wir das selbstverständlich prüfen. Das muß ja in unserer Demokratie alles seine Ordnung haben“, sagt er in seinem geschniegelten Präsidentenzimmer, das dichte Fenster, drei Sekretärinnen und einen sauberen Teppichboden hat.
In der Vegesacker Grundschule von Stefan liegt dagegen vieles im Argen: Seine Klasse 3b steht seit sechs Monaten ohne Klassenlehrerin da, erzählt er. „Frau Schulze ist nach Remscheid gezogen“, sagt er leise und drückt der SPD-Abgeordneten Waltraud Hammerström einen Patenbrief in die Hand. Sie verspricht ihm, „mal vorbeizukommen und sich darum zu kümmern. Ich war aber damals froh, als meine Lehrerin mal ein paar Tage nicht da war“, sagt sie zum Abschluß, dreht sich um und geht zurück in die Parlamentsdebatte. kat
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