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Blau gegen Rot

Die bulgarischen Oppositionsparteien sind sich bisher nur einig im Kampf gegen die Sozialisten  ■ Aus Sofia Barbara Oertel

„SDS, Sieg, Bulgarien“, ruft die Menge, die unter einem Meer von blauen Fahnen durch das Zentrum von Sofia zieht. SDS steht für „Union der Demokratischen Kräfte“. Doch wer genau hinter dieser Organisation steht, die sich anschickt, in dem Balkanland nach den nächsten Parlamentswahlen die Macht zu übernehmen, ist für die meisten Bulgaren ein Buch mit sieben Siegeln. Derzeit tummeln sich 15 Parteien unter dem Dach der SDS. Neben wiederbelebten Vorkriegsparteien wie den Sozialdemokraten und Radikaldemokraten gehören dem Bündnis mit der „Konservativen Ökologischen Partei“ und den Monarchisten auch Gruppierungen an, von denen außer ihrem Namen kaum etwas bekannt ist.

Im Dezember 1989, knapp einen Monat nach dem Sturz des Diktators Tudor Schiwkow, war die SDS gegründet worden. Nur der gemeinsame Kampf gegen die Kommunisten, die sich inzwischen in „Bulgarische Sozialistische Partei“ (BSP) umbenannt hatten, schweißte die unterschiedlichen Gruppen zusammen. Wozu das blaue, antirote Bündnis imstande war, wurde erstmals im Laufe des Jahres 1992 klar. Bei den Wahlen vom 13.OKtober 1991 fuhr die SDS 34 Prozent der Stimmen ein und stellte mit Filip Dimitrow an der Spitze einer Minderheitenregierung den ersten SDS-Premierminister in Bulgarien nach der Wende. Ein fehlendes Programm, innere Zerrissenheit und die Unfähigkeit zu Kompromissen machten aus Dimitrows Reformbemühungen fast täglich einen Drahtseilakt. Als dann auch noch die Partei der türkischen Minderheit, die „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS), ihre Interessen nicht mehr gewahrt sah und der Regierung im Oktober 1992 ihre Unterstützung entzog, wurde dem Eifer des SDS- Premiers nach nur einem Jahr ein jähes Ende gesetzt.

Nach den Wahlen vom Dezember 1994 übernahmen die Sozialisten mit einer satten Mehrheit im Parlament (125 von 240 Sitzen) erneut das Ruder. Spätestens da war auch innerhalb der SDS klar, daß mit dieser Opposition kein Staat zu machen ist. Anfang 1995 wurde Iwan Kostow, der bereits unter Dimitrow Finanzminister war und sich dieser Tage gern vom demonstrierenden Volk feiern läßt, zum neuen Vorsitzenden gewählt. Seine Bemühungen, aus dem diffusen Bündnis eine schlagkräftige Opposition zu machen, zeigten im Frühling des vergangenen Jahres erste Erfolge.

Der Druck, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen zu einigen, drohte für die SDS und andere Oppositionsgruppen erneut zum Stolperstein zu werden. Doch anstatt sich die Köpfe einzuschlagen, überließen Kostow und die Chefs der anderen Parteien diese Entscheidung dem Volk. Bei den Vorwahlen im Juni standen sich Petar Stojanow von der SDS und der damals amtierende Staatspräsident Schelju Schelew, gestützt von der DPS, gegenüber. Stojanow machte das Rennen. Alle Bulgaren, unabhängig von einer Parteimitgliedschaft, hatten mitstimmen dürfen. „Damit hat sich die SDS zum ersten Mal der Gesellschaft geöffnet,“ sagt der bulgarische Politologe Ivan Kristjew. „Die ganze Zeit vorher hatten stets Ausgrenzungen, eine Art Ghettomentalität, das Handeln der Opposition bestimmt. Das Motto hieß: Wer nicht mit uns ist, ist rot.“

Als Reaktion auf die Wahl Stojanows schloß die Opposition ihre Reihen fester. Die Bulgaren mußten sich an ein neues Kürzel gewöhnen: Im Juni 1996 tauchte die „Vereinigung der demokratischen Kräfte“ (ODS) auf der politischen Bühne auf, ein Zusammenschluß der Oppositionsparteien SDS, DPS und der Volksunion. Erstmals nahm auch ein Programm klare Formen an: Das Credo des Bündnisses, das sich selbst als rechtszentristische Kraft im politischen Spektrum bezeichnet, lautet: Radikale Wirtschaftsreformen wie Privatisierung und Sanierung der Staatsfinanzen, weniger Staat sowie Ausrichtung nach Westen.

Am 3. November siegte Petar Stojanow mit 59,7 Prozent der Stimmen überraschend klar bei den Präsidentschaftswahlen. „Stojanow ist der erste Erfolg und das erste Gesicht einer vereinigten Opposition“, sagt der Vorsitzende der türkisch-bulgarischen DPS, Achmed Dogan. „Er ist ein Symbol für den Neuanfang.“ Die SDS müsse jetzt handeln und sich zu einer Partei vereinigen. Man stelle sich vor, die SDS käme an die Macht. Jede der 15 Mitgliedsparteien der SDS werde Anspruch auf einen Ministerposten erheben. „Da liegt dann der Sprengstoff schon in der Kabinettsbildung.“

Auch in der SDS hat sich diese Erkenntnis durchgesetzt. „Eine Koalition aus 15 Parteien in der Regierungsverantwortung ist unmöglich. Denn dann müßten wir an zwei Fronten kämpfen. Einmal die Schlacht nach außen, um die Probleme des Landes in den Griff zu bekommen. Und der Kampf nach innen, um die Disziplin zu sichern. Das geht schief“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der SDS, Alexander Boschkow.

„Die SDS hat die Pflicht, sich zu reformieren“, insistiert DPS-Chef Dogan. „Auch im Hinblick auf einen Dialog mit den Partnern in der ODS. Sonst wird sie, nach 1992, ein zweites Mal von den Ereignissen überholt.“ Mit schmerzhaften Reformen könnten sich die Menschen, die jetzt auf die Straße gehen, wohl noch abfinden. Kompetenzgerangel, persönliche Machtspielchen und das Verschleppen wichtiger Entscheidungen würden sie der SDS und ihren Partnern aber keinesfalls verzeihen.

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