: Steuerreform war immer unpopulär
So wird es kommen: „Die als Jahrhundertwerk bezeichnete Steuerreform erwies sich als politischer Reinfall. Viele Lohnsteuerzahler, die mit Entlastungen gerechnet hatten, wurden mit höheren Abzügen überrascht.“ Das schrieb der Spiegel in seiner Ausgabe vom 3. Februar 1975. Die Chancen stehen gut, daß solche Sätze demnächst wieder durch die Presse klappern.
Die Dynamik der Steuerreformen ist immer die gleiche: Wer profitierte, hielt die Klappe. Die andern aber brüllten – und bescherten somit jeder Reform ein mieses Image. Bei der Steuerreform von 1975 etwa versprach der Staat den Steuerbürgern insgesamt ein Geschenk von 14 Milliarden Mark. Trotzdem erntete die SPD/FDP-Regierung herben Unmut der WählerInnen.
Denn die Steuerreformer hatten zwar die Einkommensgrenzen für die untere Tarifzone kräftig angehoben, gleichzeitig aber unter anderem die Steuerklassen für verheiratete Doppelverdiener neu geordnet. Die Folge: berufstätige Ehefrauen beschwerten sich über ihre gesunkenen Nettoverdienste.
CDU-Finanzminister Gerhard Stoltenberg versuchte sich Ende der 80er Jahre mit einem neuen Reformversuch. „Es sollte ein Jahrhundertwerk werden und wurde eine Halbheit“, tönte auch hier der Spiegel am 2.März 1987. Auch Stoltenberg trat für mehr Steuergerechtigkeit an. Der sogenannte Mittelstandsbauch im Tarifverlauf sollte verschwinden. Dieser Tarifverlauf hatte besonders Leuten mit mittlerem Verdienst unangenehme Steuersprünge beschert. Außerdem wurde der Spitzensteuersatz von 56 auf 53 Prozent gesenkt.
Was bei genauem Nachrechnen dann aber zutage trat, ist typisch für Senkungen bei der progressiven Einkommenssteuer: In der Summe profitieren die Spitzenverdiener immer am meisten. Durch den Stoltenbergschen Tarifverlauf sparte ein Einkommensmillionär rein rechnerisch 36.000 Mark, ein Durchschnittsverdiener aber nur rund 3.000 Mark im Jahr. Das größte Problem auch der Stoltenbergschen Reform war aber die Gegenfinanzierung der knapp 45 Milliarden Mark Mindereinnahmen.
Die Gegenfinanzierung hatte auch die Reformkommission von 1975 beschäftigt. Die schlug vor, das damals entstandene Deckungsloch durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 11 auf 15 Prozent zu stopfen. Ähnliches wird heute diskutiert.
Steuererhöhungen kommen leise, Steuerreformen mit Getöse. Die erste progressive Einkommenssteuer wurde 1891 in Preußen eingeführt – die Steuersätze lagen damals zwischen 0,67 und vier Prozent. 1920 wurde das von Erzberger vorbereitete Einkommenssteuergesetz verabschiedet. Seit damals gilt der „Quelleneinzug“ für Lohn- und Gehaltsempfänger. Denen werden die Steuern direkt bei der Lohnauszahlung abgezogen, während Selbständige die Steuer erst aus ihrem Einkommen zahlen dürfen. Bis heute. Barbara Dribbusch
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