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Nur ein laues Lüftchen im Glas

■ Verwaschene Inszenierung: „Der Untergang des Hauses Usher“

„The slightest breeze is a torrent to me“ – so dramatisch wird William von seinem Jugendfreund Roderick Usher angefleht, ihn und seine Schwester Madeline zu besuchen. William macht sich auf den Weg und erlebt den Untergang des Hauses Usher aus nächster Nähe. Der US-amerikanische Komponist Philip Glass formte 1988 Edgar Allan Poes apokalyptische Erzählung in eine Kammeroper um, und die bringt die Hamburg Opera Group jetzt auf die Kampnagel-Bühne.

„Die kleinste Brise ist mir ein Sturm“ - so arbeitet auch Glass. Er entwickelte in den Siebzigern zusammen mit Steve Reich und Terry Riley die minimal music. Glass' Methode war und ist die Wiederholung: Kleine und kleinste Motive werden so lange wiederholt, daß schon die kleinste Verschiebung, ,die kleinste Brise', als gewaltiger Umsturz erscheint. In der Filmmusik zu Koyaanisqatsi gelangen Glass so Momente von schöner Sprödheit. Nicht so in Der Untergang des Hauses Usher. Es ist, als sei das zwölfköpfige Orchester zu groß. Und wenn der musikalische Leiter der Hamburg Opera Group, Michael Petermann, sagt, daß bei Glass „ein Dreiklang wieder einfach schön klinge“, dann beschreibt er Stärke und Schwäche dieser Kammeroper: The Fall of the House of Usher ist tatsächlich schön, aber eben nur schön und nicht mehr spannend.

Damit sind die Probleme dieser Aufführung noch nicht erschöpft. Die 1993 von Michael Petermann und Sibylle Krapp (Inszenierung) gegründete Hamburg Opera Group hat es sich zum Ziel gesetzt, „das musikalische Theater neu zu entdecken“. Wie funktioniert das geforderte neue Zusammenspiel von Orchester, Ensemble und Text? Es gibt, zugegebenermaßen, einige sehr geschickte Momente: Wenn das Ensemble rhythmisch klopfend das Haus erkundet und dieses Klopfen dann vom auf der Bühne präsenten Orchester aufgenommen wird beispielsweise. Das Konzept der Inszenierung wirkt jedoch verwaschen wie Glass' Musik. Die Darstellung schwankt zwischen einer angedeuteten Psychologisierung – dabei dem Löwenanteil der Poe-Interpretationen folgend – und dem Versuch, diese durch abstraktes, mechanisches Wiederholen der Gesten – die Glass'schen Reihungen aufnehmend – aufzubrechen. Nicht das Schwanken ist das Problem, sondern das darin sichtbare Bemühen, sich auf der sicheren Seite zu halten. Die Angst vor dem Scheitern ist jeder Bewegung eingeschrieben, das Meiden jeder Gefahr ist immer spürbar und läßt genau darüber alles ins Monotone fallen. Schade: Clemens Löschmann (Roderick), Otto Katzameier (William) und vor allem Jennifer Bird (Madeline) singen so gut, und die von Irène Favre de Lucascaz entworfenen Kostüme (dieses rostschillernde Jackett!) sind so großartig – die Hamburg Opera Group könnte mehr können. Schade.

Matthias Anton

Kampnagel , 25.,26., 29. bis 31. Januar, 1.und 2. Februar, 19.30 Uhr.

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