: Bettler an der Saar unerwünscht
■ Trotz Gerichtsentscheid hält Saarbrücken an Bettlersatzung fest und verschickt nun sogar Bußgeldbescheide an Bettelnde
Berlin (taz) – Betteln und Hausieren ist nicht überall gestattet und schon gar nicht das Saufen. Zumindest auf den Saarbrücker Straßen sollten Trinker ihre Flaschen ganz nach amerikanischem Vorbild in Papiertüten verstecken. Zwar hat das dortige Amtsgericht kürzlich entschieden, daß vier Punker kein Bußgeld für den Konsum von Bier in der Öffentlichkeit zahlen müssen. Dennoch hält die Stadt an ihrer sogenannten Bettlersatzung fest. Ein Amtsgericht könne zwar den Bußgeldbescheid ablehnen, aber nicht die gesamte Satzung außer Kraft setzen, heißt es in einer Erklärung der Polizei und Verwaltung Saarbrückens.
Seit Ende 1995 hat Saarbrücken eine „Bettlersatzung“. Sowohl das Übernachten als auch der Alkoholgenuß in der Öffentlichkeit zählen zur sogenannten Sondernutzung der Straßen. Und das ist verboten. Vorbild der Saarbrücker Verwaltung war auch München. Dort existiert eine entsprechende Verordnung schon seit 1971. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärte sie sogar 1982 für rechtmäßig. Bis 1974 stand das Betteln in der Bundesrepublik noch unter Strafe. Auch kleinere Städte wie Fulda und Augsburg haben Satzungen erlassen, die Betteln mit Bußgeldern belegen. Ähnlich will die Stadt Frankfurt am Main vorgehen: Dort wird zur Zeit eine „Gefahrenabwehrverordnung“ diskutiert.
Zwischen Betteln und Betteln gibt es feine Unterschiede – auch an der Saar. „Wir haben gar nichts gegen das normale ,Haste mal 'ne Mark‘“, sagt Oberbürgermeister Hajo Hoffmann (SPD). Die Satzung richte sich lediglich „gegen aggressives Betteln“. An bestimmten Punkten der Stadt hätten sich Mütter mit ihren Kindern nicht mehr vorbeigetraut, weil sie von Hunden bedrängt worden seien.
Daß es sich dabei um „Symptombekämpfung“ handele, die die Armut nicht beseitigt, weiß auch Hajo Hoffmann. So rede die Polizei erst einmal mit den Bettlern und würde auch Unterkünfte vermitteln. Doch nicht immer wird Hoffmanns friedliche Welt von seinen Beamten mit Leben erfüllt. Im Gegenteil. Wenn es hart auf hart kommt, greifen die Ordnungshüter auch gerne mal auf die Sondernutzungsbestimmung zurück. Seit Ende 1995 wurden 31 Bußgelder verhängt – vier davon müssen nach dem Urteil des Amtsgerichts nun wieder zurückgezogen werden.
Hoffmann räumt ein, daß die Bußgelder „wahrscheinlich nicht gezahlt werden, das wissen wir auch“. Dennoch glaubt er, daß die Bettelsatzung abschreckend wirken wird. So weit wie in Stuttgart will man in Saarbrücken nicht gehen. Dort kann die Polizei den Bettlern sogar in die Tasche greifen und das Geld beschlagnahmen. Nathalie Daiber
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