: "Adieu, arte!"
■ Das arte-Magazin "7 1/2" wird ein Jahr alt. Und arte-Chefredakteurin Sabine Rollberg, die das Projekt mit auf den Weg brachte, geht im Sommer nach Moskau
taz: Vor einem Jahr hat arte sein Vorabendprogramm umstrukturiert. Die Anfangszeiten sind für das deutsche Publikum nach wie vor ungewöhnlich: „7 1/2“ läuft um halb acht, die Hauptnachrichten kommen erst um 20.30 Uhr.
Sabine Rollberg: 18.30 Uhr ist tatsächlich eine schwierige Zeit. Gerade unser Publikum – Berufstätige, oft in verantwortlichen Positionen – ist großenteils noch nicht zu Hause. Trotzdem hat sich das Risiko gelohnt: Die Einschaltquoten sind gestiegen, Politiker und andere Meinungsmacher kommen gern als Gäste.
Sie haben das Konzept im Laufe des letzten Jahres etwas verändert: An Stelle eines Themenpotpourris steht nun ein Schwerpunktthema mit mehreren Beiträgen.
Es war von Anfang an unser Ziel, zu vertiefen und der Schnellebigkeit von Informationen die Hintergründe entgegenzusetzen. Schwerpunktthemen haben wir eigentlich immer gehabt, aber jetzt haben wir auch noch ein Thema, das sich durch die Woche zieht, zum Beispiel Porträts von Arbeitslosen aus verschiedenen europäischen Ländern.
Wie viele Menschen gucken mittlerweile zu?
In Deutschland etwa zwischen 40.000 und 80.000, in Frankreich meist das Vierfache...
...dort ist ja die Konkurrenz anderer Sender auch viel geringer, weil arte mit der Antenne zu empfangen ist und nur relativ wenige Haushalte verkabelt sind. Wie sieht denn das Resümee nach einem Jahr aus? Läßt sich der Spagat eines binationalen Senders bewältigen?
Ja. Wir behandeln Themen, die alle Europäer angehen: Rinderwahn, Airbus, aber auch die französische Afrikapolitik.
Die Moderationen sind im Wochenwechsel französisch beziehungsweise deutsch und werden aus dem Off simultan gedolmetscht. Da fällt das Zuhören auf Dauer schwer.
Die Zweisprachigkeit ist sicherlich ein Handicap. Deshalb haben wir auch die Moderationen und Interviews gekürzt und konzentrieren uns mehr auf die Reportagen.
Im November hätte eigentlich turnusgemäß die Präsidentschaft von arte an einen Deutschen übergehen sollen. Statt dessen ist die Amtszeit des Franzosen Jerôme Clement ein zweites Mal verlängert worden. Gibt es da nicht eine Schieflage?
Die Zustimmung zur dritten Amtszeit von Jerôme Clement ist ein Zugeständnis an die politische Situation in Frankreich, wo das arte-Budget jährlich vom Parlament bewilligt wird und in den nächsten Jahren gegen Kürzungen verteidigt werden muß. Die Wiederwahl von Clement ist auch ein Kompliment für seine Lobbyarbeit bei den Pariser Politikern. Allerdings fürchte ich, daß dieses Nachgeben von ARD und ZDF in Paris so interpretiert wird, als hätten die Deutschen keinen Kandidaten, als sei ihnen der Sender nicht so wichtig.
Was sollten die deutschen arte- Partner tun?
Darauf drängen, daß möglichst bald ein Team aus einem deutschen Präsidenten und einem französischen Vize gewählt wird.
Wie ergeht es Ihnen eigentlich als einzige Frau in der arte-Führungsspitze?
Als Frau empfinde ich manches als chauvinistisches Gebaren, das in Deutschland so gar nicht mehr möglich wäre, hier in Straßburg aber noch an der Tagesordnung ist. Da kann frau nur mit Gelassenheit und Humor kontern.
Sie meinen nicht sexuelle Belästigung, sondern männliche Durchsetzungsstrategien.
Ja. Der Führungsstil ist in Frankreich viel autoritärer. Emotionale Intelligenz, Transparenz und Mitbestimmung sind keine Kennzeichen der französischen Betriebsführung. Bei einer Frau aus Deutschland, die einen solchen Managementstil pflegt, wird das oft als Schwäche interpretiert.
Wie lange hält frau das aus?
Das läßt sich schon länger aushalten, es macht ja auch Spaß, in einem europäischen Sender zu arbeiten. Bei arte bricht man ja eine Lanze für gutes öffentlich-rechtliches Fernsehen und arbeitet mit einem Team, das unglaublich begeistert und motiviert ist. Als wir damals „7 1/2“ geplant haben, meinten viele, arte würde nie eine tägliche Livesendung zustande bringen.
Also kann der Job für Sie eine Lebensaufgabe werden?
Nein, denn meine journalistische Ader, die auf diesem Managerposten etwas zu kurz gekommen ist, reizt mich wieder. Ich habe in diesen drei Jahren gegeben, was ich konnte. Frauen sollten eigentlich hierarchische Positionen nicht räumen – sofern nicht garantiert ist, daß ihnen eine Frau folgt. Ich höre im Geiste schon die Schelte von Kolleginnen. Aber manchmal dürfen auch private Lebensumstände ausschlaggebend werden. Ich habe im letzten Jahr eine Tochter bekommen, und mein Mann wird vom Auswärtigen Amt an die Botschaft in Moskau versetzt. Und mir bietet mein Heimatsender WDR eine Korrespondentenperspektive dort an. Ich werde also im August sagen: Adieu, arte. Interview: Michael Rediske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen