: Bauchmuskelgeschichten
■ Die HipHop-Performer Collectiv Mouv' vermischen auf Kampnagel etablierte Straßentänze der afro-amerikanischen Jugendkultur zu Erzählungen
Was passiert, wenn junge Breakdancer ihre Darbietungen nicht mehr in U-Bahn-Schächten zum besten geben? Wenn sie behaupten, daß dies Kunst sei und in die dafür vorgesehenen Räume wie Kampnagel ziehen? Collectiv Mouv' stellt diese oder ähnliche Fragen. So nennt sich der Zusammenschluß zweier französischer Tanztheater-gruppen, der M.B.D.T. und IF, bestehend aus jungen Tänzern, die mit HipHop aufgewachsen sind.
Beim HipHop handelt es sich bekanntermaßen um eine Musikkultur aus den Vereinigten Staaten, die Mitte der 80er Jahre von afro-amerikanischen Jugendlichen etabliert wurde und noch heute ein großer Bestandteil schwarz-amerikanischer Jugendkultur ist. Spätestens seit den Sommerhits der Fugees weiß auch hier jeder, worum es dabei geht. „HipHop ist ein Lebensgefühl, HipHop ist Ahnenverehrung“, so behaupten die Protagonisten unermüdlich. Es geht also um die Wiederherstellung sozialer und kollektiver Identität marginalisierter Jugendlicher – und das nicht nur im Land der ewigen Jugend und Glückseligkeit.
Seit Jahren existiert auch in Frankreich eine eigene HipHop-Bewegung, die sich klar vom US-amerikanischen Vorbild abgrenzt. Gerapt wird auf Französisch, die Inhalte werden den kulturellen Bedingungen angepaßt, um dabei eigene Codes zu entwickeln. Die Technik allerdings scheint einheitlich zu sein, das macht auch Collectiv Mouv' deutlich: ein HipHop-Abend ohne DJ – das ist unmöglich.
So entschieden sich die 20- bis 25jährigen Franzosen für die Zusammenarbeit mit DJ-TAL, der die Kunst des Plattendrehens wahrlich beherrscht. Mit seinen zwei Plattenspielern präsentiert er das Verfahren der Old School: Ein Lied wird eingespielt, das zweite dazu gescratcht. Indem so bereits existierende Stilrichtungen neu kombiniert und technisch verfremdet werden, geht es um den Verweis auf bestimmte Referenzen.
Dieses Verfahrens bedient sich allerdings nicht nur der DJ, sondern auch die Tänzer. Denn sie greifen eine Vielfalt etablierter Straßentänze auf, die Anfänger und Fortgeschrittene bei dem begleitenden Workshop erproben können, und verbinden diese gekonnt miteinander. Smurf, Streetdance, Break-dance und Voguing – Tanzstile der US-amerikanischen Subkultur, die häufig auf afrikanische und lateinamerikanische Wurzeln zurückgehen und eigene Geschichten erzählen, werden virtuos miteinander kombiniert. So enstehen ritualisierte Geschichten, angefüllt mit individuellen Bildern aus dem Alltagsleben. Vielleicht brechen die HipHop-Performer mit den starren Kategorien und beweisen, daß Pop auch Kunst ist. Oder ist die Frage nach der großen Kunst längst hinfällig geworden? Claude Jansen Mi, 5. bis Fr, 7. sowie 9. und 12. Februar, jeweils 19. 30 Uhr, Kampnagel, k6 / Workshop: 6. und 7. Februar, jeweils ab 15 Uhr
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