: Verläßliche Halbtagskatastrophe
Das Reformprojekt Grundschule ist ein Flop, meint die Hamburger CDU. Auch die GAL übt Kritik an Schulsenatorin Raab ■ Von Silke Mertins
Schulsenatorin Rosie Raab (SPD) saß sauer auf der Senatsbank. Zu einer Bilanz der erst im September eingeführten „verläßlichen Halbtagsgrundschule“ war sie eigentlich noch nicht bereit. Doch die CDU ist überzeugt, daß die neue Schulform ein Reinfall ist, und zettelte daher gestern in der Bürgerschaft eine Debatte zum Thema an. „Es war ihre Gier nach schnellen politischen Erfolgen“, so Rolf Harlinghausen (CDU), „die das Reformprojekt zu einem Flop werden ließ.“ Ohne Abstimmung mit Eltern und Lehrern sei das Modell den Grundschulen übergestülpt worden.
In 20 von 52 Schulen nimmt nur die Hälfte der Kinder das Schulangebot von acht bis 13 Uhr an, hielt SPD Schulexpertin Ingeborg Knipper (CDU) der Senatorin vor. In zehn Schulen sogar weniger als ein Viertel der Schüler. Lediglich in elf Schulen nehmen 90 Prozent am vollen Halbtagsprogramm teil. Das ergab eine Anfrage an den Senat. „So eindeutig hatte ich mir das Ergebnis nicht vorgestellt“, triumphierte Knipper. Die CDU habe immer für Freiwilligkeit plädiert. Nun gebe es statt Verläßlichkeit nichts als Probleme und Ausfälle in den Grundschulklassen. Doch, Gottseidank, atmet die Christdemokratin auf, sei die „Gefahr“ Rosie Raab ja bald gebannt. Die beim Bürgermeister in Ungnade gefallene Senatorin wird mit großer Sicherheit dem nächsten Senat nicht mehr angehören.
Senatorin Raab antwortet auf die Fundamentalkritik mit parlamentarischem Nachhilfeunterricht. „Frau Knipper, Sie werden nicht müde, die Demokratie auf den Kopf stellen zu wollen.“ Die VolksvertreterInnen der Bürgerschaft hätten dem Senat den Auftrag erteilt, eine verläßliche Halbtagsgrundschule zu schaffen. Den setze sie um, mehr nicht. Nach einem Schuljahr hatte man laut Parlamentsbeschluß Bilanz ziehen wollen. Raab: „Das unterläuft die CDU nun.“ Dabei ließe sich zu diesem Zeitpunkt noch nichts Seriöses über den Erfolg oder Mißerfolg sagen.
Zu einem der Hauptvorwürfe, nämlich sich stets und ständig vor einer Auseinandersetzung mit den Lehrern und Eltern zu drücken und die Betroffenen somit nicht ernst zu nehmen, nahm die Senatorin keine Stellung. Lehrer würden „wie Soldaten“ behandelt, empörte sich der schulpolitische Sprecher der GAL, Kurt Edler. „Frau Raab scheut den kritischen Dialog.“ Zwar befürworte die GAL die verläßliche Halbtagsgrundschule. Viele Eltern seien auch „froh über die Regelmäßigkeit des Schulvormittags“. Doch mit der Gutsherrenart der Behörde sei die Akzeptanz bei denen, die sie umsetzen und nutzen sollen, nicht gelungen. Es ginge nur noch um „Öffnungszeiten“ und nicht mehr um pädagogische Qualität.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen