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Auf ins Hanseland

Emotional anheimelnder Name für den Nordstaat verzweifelt gesucht  ■ Von Florian Marten

„Von Nordstaat reden wir inzwischen gar nicht so gerne. Das ist ein kühler Begriff, dem die emotionalen Qualitäten für die Adressaten fehlen.“ Ohne jeden Hauch von Selbstironie bekannte sich jetzt Hans-Jörg Schmidt-Trenz, seit 1. Mai 1996 Hauptgeschäftsführer der Hamburger Handelskammer, zur Suche nach einem seelenwärmenden Namen für den Nordstaat, den von Kammer & Co für überfällig gehaltenen Zusammenschluß der norddeutschen Küstenländer.

Schließlich müsse die Message die widerwilligen BürgerInnen emotional erreichen. Und wie Schmidt-Trenz stolz verriet – die Kreativlinge der Kammer waren nicht müßig. Einige wirklich ernst gemeinte Kostproben aus dem Corporate-identity-Labor der Nordstaatfreunde:

Hanseland – pfui, wer da gleich an Warncke-Eiskrem, Wasserrutschbahnen und Familienausflug denkt! Der echte Norddeutsche wird unverzüglich prall gefüllte Kaufmannstruhen, rollende Seeräuberköpfe und ausgeplünderte Dörfer visionieren, all das also, was das Leben in unserer norddeutschen Heimat einst so lebenswert machte.

Angelsachsen – nein, selbst dieser Vorschlag ist nicht das Ergebnis eines Portweinbesäufnisses im Anglo-German-Club an der Außenalster. Angelsachsen ist auch nicht der Versuch, die Königreiche Hannover und Dänemark wieder der britischen Krone zuzuführen. Eher umgekehrt: Das wahre Britannien, so signalisiert uns dieses Wort, ist – Karls des Großen Sachsenmeuchelmorde hin, Wilhelm des Eroberers normannische Umfrisierung englischer Dickschädel her – längst an der Elbe heimisch.

Wen diese Namensköstlichkeiten noch nicht zufriedenstellen, dem offeriert die Kammer ein letztes, der alten Staatskirche sicherlich äußerst genehmes Angebot: Nordelbeland – das riecht doch gleich nach Backsteinkirche, Astra, Deich und Möwengeschrei unter weitem, klarem Himmel.

Auch die taz stellt sich dieser heimatlichen Herausforderung. Wir könnten uns für den Namen Legoland erwärmen (dieser Nordstaat hat ein Herz für Kinder), für Nordmark (alle DGB-Gewerkschaften stehen stramm) oder auch, die ADAC-Mitglieder unter unseren Abonnenten wird's freuen, schlicht für Nordgau. Oder wie wär's mit Axel-Cäsar-Springer-Land? Auch Ohnsorg-Land käme sicher gut.

Den tristen Vorschlag Nielsen I der Werbewirtschaft (so nennen die ihren norddeutschen Markt schon heute) verwerfen wir . Unser Favorit, die endgültige Antwort des Nordens auf das südstaatliche Kaiserfranzjosefreich Bayern, lautet: Freistaat Schmidtschnauze.

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