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Explosive Mischung aus Anschlägen und Razzien

■ Im Kosovo mehren sich die Anzeichen für eine militärische Auseinandersetzung zwischen Serben und Albanern. Doch untereinander sind die Albaner zerstritten

Wien (taz) – Bei Razzien in der serbischen Provinz Kosovo sind in den vergangenen Tagen mindestens 26 Kosovo-Albaner verhaftet worden. Nach Angaben der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK) handelt es sich vorwiegend um Personen, die sich für Menschenrechte und die politischen Ziele der Albaner eingesetzt hätten. Die serbische Polizei soll bei den Razzien mit einem Großaufgebot erschienen sein, Mobiliar zerschlagen und persönliche Dinge der Festgenommenen beschlagnahmt haben. Gegenwärtig ist die Stimmung unter den knapp zwei Millionen Albanern so explosiv wie seit Jahren nicht mehr.

Es ist vor allem die bis vor kurzem unbekannte „Befreiungsarmee Kosovo“ (UGK), die Serbien den „offenen Krieg“ erklärt und den Anschluß der einst autonomen jugoslawischen Provinz Kosovo an das Mutterland Albanien fordert. Partisanenkommandos unternehmen Anschläge auf serbische Kasernen, Polizeistationen und Geheimdienstzentralen. Im vergangenen Jahr sind dabei nach serbischen und albanischen Angaben 15 serbische Sicherheitsbeamte und 14 Albaner getötet worden. Im Januar wurden zudem zwei albanische Spitzel umgebracht. Auch für den Bombenanschlag auf den Rektor der Universität von Pristina am 16. Januar übernahmen die Untergrundkämpfer die Verantwortung. Im jüngsten Kommuniqué Nr. 28 machen die militanten UGK-Aktivisten keinen Hehl aus ihrer Absicht, den bewaffneten Kampf zu verstärken: „Wir rufen zum letzten Mal die serbischen Besatzer dazu auf, ihre Polizei- und Militäreinheiten aus dem Kosovo abzuziehen. Ansonsten werden die Besatzer, aber auch die internationalen Machtzentren wegen ihrer Gleichgültigkeit in der ungelösten albanischen Frage, unsere Entschlossenheit zu spüren bekommen.“

Den bewaffneten Kampf rechtfertigt die UGK mit der Tatsache, daß durch den Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien vor sieben Jahren auch die Kosovo-Albaner das Recht auf Selbstbestimmung gewaltsam in Anspruch nehmen könnten. Denn in den vergangenen Jahren war das Regime nicht einmal zu dem Zugeständnis bereit, der albanischen Minderheit auch nur jene Autonomierechte zurückzugeben, die dieser unter dem kommunistischen Staatsgründer Tito bis 1981 zugestanden wurden. Statt dessen herrscht im Kosovo der Ausnahmezustand. Auf den friedlichen Protest der Albaner reagierten serbische Politiker, darunter auch Belgrads Oppositionsparteien, stets mit Polizeiterror und der Schließung albanischer Kulturhäuser und Schulen. Parteien und Bürgerbewegungen wurden in die Illegalität gedrängt. Hunderte ließen in den vergangenen zehn Jahren bei Demonstrationen gegen die serbische Staatsmacht ihr Leben oder verschwanden unter dubiosen Beschuldigungen im Gefängnis. Es war bisher das Verdienst der Demokratischen Liga (LDK) und deren Vorsitzenden Ibrahim Rugova, daß der Widerstand von albanischer Seite friedlich blieb. Damit scheint es vorbei zu sein. Die Ungeduld vieler Albaner wächst, nachdem es seit Jahren keine politischen Fortschritte, keine Besserung der Lebensverhältnisse gibt. Manch einer sympathisiert jetzt mit der Gegengewalt der militanten UGK, die auch den LDK-Funktionären persönliche Bereicherung vorwirft. Die Rebellen bezichtigen die Regierung im Mutterland Albanien des „nationalen Verrats“ und unterstellen Präsident Sali Berisha, mit Belgrad einen Deal vereinbart zu haben, wonach sich Tirana in die Kosovo-Frage nicht einmischt, wenn der im Vergleich wohlhabende Nachbar für die wirtschaftliche Umgestaltung des kleinen Adrialandes großzügige Kredite bereitstellt. Eine dritte Strömung um den ehemaligen Dissidenten Adem Demaci unterstützt offen den Straßenprotest in Belgrad und setzt auf eine Teillösung des Kosovo-Problems mit Hilfe der serbischen Opposition. Der einst bekannteste Häftling im kommunistischen Jugoslawien, der für seine Überzeugung 28 Jahre im Kerker verbrachte, plädiert für eine Konföderation zwischen Serbien, Montenegro und Kosovo. Schon der Druck von Weltbank und EU würde ausreichen, glaubt Sacharow-Preisträger Demaci, daß sich die derzeit ausweglose Situation der Kosovo-Albaner umgehend verbessern werde. Doch andererseits ist eine Explosion der Gewalt im Kosovo nicht ausgeschlossen. Die Folgen würden nicht nur die Kosovo-Albaner, sondern auch die Oppositionellen in Belgrad zu spüren bekommen. Schon einmal hat der Krieg in Jugoslawien mit einem Gewaltaufmarsch auf dem Amselfeld begonnen. Karl Gersuny

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